Earth Girl. Die Prüfung
den Tisch zu bewegen, bevor ich ein volles Glas Fizzup in der Hand hielt. Das hier war nur ein einfacher Kuppelbau, und die Flexiplas-Tische würden sich nicht auf mein Kommando hin zuvorkommend von selbst bewegen. Ehe es mir gelang, mein Getränk zu verschütten, kam Fian mir zu Hilfe.
«Du solltest keine Tische herumschieben», meinte er. «Sonst machst du deine Verletzung womöglich noch schlimmer.»
«Die hab ich völlig vergessen», erwiderte ich ganz wahrheitsgemäß. «Die Behandlung mit dem Flüssigpflaster ist abgeschlossen, und jetzt tut es überhaupt nicht mehr weh. Vermutlich sieht man nicht mal mehr was, wenn ich das Pflaster abmache.»
«Ich versteh nicht, wieso du es nicht gleich behandelt hast.»
Ich zuckte mit den Schultern. «Gestern schien es nicht so schlimm zu sein, und ich mach nicht gern viel Aufhebens um Schutzanzugprellungen. Ich bin Taggerin, also kriege ich eine Menge davon ab. Und ein Flüssigpflaster verursacht manchmal mehr Probleme, als es beseitigt, weil die Haut nach einer Regeneration oft empfindlich ist.»
Fian hatte den Tisch zurechtgeschoben und warf mir einen besorgten Blick zu. «Wirst du dann morgen im Schutzanzug Schmerzen haben?»
Ich schüttelte den Kopf. «Die Stelle ist unter meinem Skintight, deshalb sollte es kein Problem geben.»
Fian stammte aus dem Deltasektor, deshalb wurde er sofort rot, als ich auf eine intime Körperregion anspielte, und verfolgte das Thema nicht weiter.
Ich stellte mein Glas auf dem Tisch ab und holte mir einen Stuhl. Fian zog sich auch einen Stuhl heran und setzte sich neben mich. Ich konnte ihm ja schlecht dauernd aus dem Weg gehen, und außerdem war es wichtig, mit meinem Tagger Support gut auszukommen. Innerhalb dieser Gruppe traute ich Fian am ehesten zu, dass er auf mich aufpassen würde, daher musste ich versuchen, zwar höflich und nett zu ihm zu sein, ihm aber gleichzeitig keinerlei Hoffnungen zu machen. Eine echte Gratwanderung.
«Hat mich echt völlig umgehauen, dass die Betas verheiratet sind», meinte Fian. «Ich dachte, die mögen sich noch nicht mal.»
Das erschien mir ein ziemlich unverfängliches Gesprächsthema zu sein, und auch ich war neugierig, was die beiden Betas anging. «Wenn sie verheiratet sind, dann müssen sie wohl älter sein als wir.»
«Keine Ahnung», erwiderte Fian. «Das Eherecht in Beta ist völlig anders als unseres, und überhaupt steig ich bei dem ganzen Clansystem dort nicht durch. Lolia und Lolmack sehen schon ein bisschen älter aus als wir, aber Betas haben doch immer dieses … leicht abgeklärte Gehabe. Da ist es schwer zu sagen, wie alt sie wirklich sind.»
Ich nickte.
«Ich hab auch nie ganz begriffen, weshalb sie überhaupt in diesem Kurs sind», fuhr Fian fort. «Sie hassen die Ausgrabungsstätten, und Geschichte langweilt sie. Bei dem Vid heute Nachmittag schienen sie sich zum ersten Mal echt für etwas zu interessieren, und wenn sie von Artemis kommen …»
Ich nickte wieder. Ich versuchte, mir eine gute Ausrede einfallen zu lassen, um mich zu verdrücken, aber im Quartier auf einer Ausgrabungsstätte gibt es wenig überzeugende Ausreden. Also beschloss ich, es mit einer anderen Taktik zu versuchen. Ich konnte nicht einfach gehen und Fian zurücklassen, aber ich konnte andere Leute dazu bringen, sich zu uns zu gesellen.
Wir waren erst seit ein paar Tagen hier im Kurs, und einige der Studenten wirkten immer noch ein bisschen verloren, einsam und verwirrt. Ich erinnerte mich daran, wie ich selbst mich auf meinem ersten Ausflug mit der Geschichts- AG gefühlt hatte. Damals war ich elf, kannte die anderen Teilnehmer nicht, der Ort war neu, ich hatte keine Ahnung, wie alles funktionierte und was ich tun sollte. Das war ziemlich beängstigend gewesen.
Es brauchte nur ein aufforderndes Lächeln und ein Winken, um einen nervös wirkenden Gamma-Studenten in unsere Richtung zu locken. Joth folgte ihm sofort. Innerhalb von fünf Minuten hatten wir den Tisch voller Leute. Fian setzte eine resignierte Miene auf, während alle anderen begeistert über Ventrak Rosthas Vid diskutierten.
Die Zeit verflog nur so. Als Dalmora in den Speisesaal zurückkehrte, holte ich sie zu uns herüber, und wir befragten sie, welche Pläne ihr Vater für die nächsten Folgen von
Geschichte der Menschheit
habe. Irgendwann siegte meine Müdigkeit jedoch über die Begeisterung.
«Es tut mir leid.» Ich stand auf. «Ich muss ins Bett. Ich hab gestern Nacht kaum geschlafen und muss morgen vor sechs raus.»
Joth
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