Earth Girl. Die Prüfung
dass du das Wort ‹Exo› benutzt hast. Als du mir gerade von dieser Rettungsaktion erzählt hast, habe ich aus deiner Stimme überhaupt keine Feindseligkeit herausgehört, wenn du die anderen Leute erwähnt hast. Du hast deine Bitterkeit ihnen gegenüber offenbar durch diesen Kurs überwunden, und ich bin stolz auf dich, Jarra.»
Sie hielt einen Moment lang inne, ehe sie fortfuhr. «Ich bin stolz auf dich, Jarra, aber ich muss dich trotzdem warnen. Irgendwann werden sie herausfinden, dass du behindert bist, und manche von ihnen werden nicht sonderlich gut darauf reagieren. Ich möchte, dass du das nicht vergisst und versuchst, dich darauf vorzubereiten, das auszuhalten. Du hast bewiesen, was du wolltest. Du bist von den besten Historikern jenseits der Erde akzeptiert worden. Falls sie irgendwelche dummen Vorurteile haben, ändert das nichts an dieser Tatsache. Nimm es dir nicht zu Herzen.»
Candace hatte die Sache falsch verstanden, aber wenn es sie glücklich machte, war das in Ordnung. Sie hatte erwähnt, wie lange ich erzählt hatte. Beim Blick auf die Zeitanzeige wurde mir klar, dass meine zwei Stunden um waren. «Tut mir leid. Ich hab gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist.»
«Kein Problem, Jarra. Das hier ist wichtig, und wir können auch noch eine Weile reden, falls es sonst noch etwas gibt, das ich wissen sollte.»
Ich schüttelte den Kopf. «Ich sollte besser los. Ich möchte niemandem die Zeit wegnehmen. Außerdem sollte ich langsam mal was frühstücken gehen.»
Hastig beendete ich das Gespräch. Ich bin mir sehr bewusst, was es bedeutet, einem anderen Schützling einen Teil seiner Zeit mit Candace zu stehlen. Ein paarmal kam sie zu spät zu einem Treffen mit mir, weil einer von den anderen eine Krise hatte. Ich versuche dann immer, höflich zu reagieren, aber insgeheim hasse ich es echt. Candace gehört zwei Stunden in der Woche mir, und die anderen sollen ihre diebischen Finger gefälligst von meiner Zeit lassen. Genauso sollte ich ihnen nichts von ihren zwei Stunden wegnehmen.
Für ein oder zwei Dinge, wie für meine Kursbewerbung, hatte sie extra Zeit für mich eingeplant. Das war aber Candace’ Großzügigkeit mir gegenüber, denn dazu opferte sie ihre eigene Freizeit, und das war etwas anderes. Dabei handelte es sich um ein Geschenk von Candace, das ich zu schätzen weiß, nicht um etwas, das ich jemand anderem wegnehme.
Ich hatte Hunger, ging aber nicht gleich zum Frühstücken. Stattdessen saß ich ein paar Minuten lang da und dachte über das nach, was Candace gesagt hatte. Einiges hatte sie falsch aufgefasst. Das passierte öfter mal, da ich gerne Dinge für mich behalte.
Sie lag falsch, aber gleichzeitig hatte sie auch recht. Ich musste mich auf den Moment vorbereiten, in dem meine Kommilitonen herausfanden, was ich wirklich war. Ich hatte bereits eine Menge Fehler begangen und würde sicher noch weitere machen. Irgendwann würden mir keine Lügen mehr einfallen, mit denen ich sie überspielen konnte. Dann würde ich echt in Schwierigkeiten stecken. Playdon wusste es bereits, und der eine oder andere aus der Gruppe würde vielleicht anständig reagieren, aber möglicherweise war ich von da an einer ganzen Flut von Affenbeschimpfungen ausgesetzt.
Als ich mich für diesen Kurs bewarb, hatte ich genau geplant, was ich tun würde, wenn sie herausfanden, dass ich ein Neander war. Das war der Moment, wo ich mich umdrehen und ihnen ins Gesicht lachen würde. Das war der Moment, wo ich sie Exos nennen und meine Wut herausschreien würde. Ich hatte bereits festgestellt, dass ich das nicht mehr wollte. Ich konnte Fian, der mein Support gewesen war und mir mehrmals den Hals gerettet hatte, nicht anschreien, weggehen und dann stolz auf mich sein. Eigentlich wollte ich gar keinen von ihnen mehr beschimpfen, nicht mal die Betas. Vielleicht hatte Krath es verdient, aber …
Leider hatte ich keinen Alternativplan, jetzt, wo ich meine ursprüngliche Idee aufgegeben hatte. Auf gar keinen Fall wollte ich etwas Dummes tun, wie zum Beispiel in Tränen ausbrechen und davonlaufen. Ich musste so schon mit genug Wut und Bitterkeit klarkommen, da wollte ich mir nicht auch noch einen Haufen Demütigungen aufladen. Ich würde mir ihre Beschimpfungen einfach ganz ruhig anhören müssen und dann einen würdevollen Abgang hinlegen, sodass mein Stolz gewahrt blieb. Das würde ich hinkriegen. Vielleicht.
Ich riss mich zusammen und ging frühstücken. Den Vormittag verbrachten wir wie üblich auf der
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