Ebbe und Glut
Andrea könne aus ihrer Wohnung kommen und wie eine Concierge kontrollieren, wen Frank zu so später Stunde mit nach Hause brachte. Arm in Arm taumelten sie in Franks Wohnung hinein.
»Was möchtest du trinken?«, fragte Frank. Er kramte in einer kleinen Abstellkammer hinter der Küche. »Wie wäre es mit einem Bier?« Dann ging er zum Kühlschrank hinüber und schaute hinein. »Du könntest natürlich auch ein Bier kriegen.«
Mia lachte. »Hm, mal sehen … ich glaube, ich nehme das Bier.«
»Das ist eine sehr gute Wahl.«
Frank öffnete zwei Flaschen und reichte ihr die eine. Sie gingen ins Wohnzimmer und ließen sich auf einem kleinen Sofa nieder. Franks Wohnung war typisch männlich eingerichtet – mit einem wilden Sammelsurium aus praktischen, aber stillosen Möbeln und wahren Geschmacklosigkeiten wie einem aufblasbaren Sitzkissen, das aussah wie ein riesiger Fußball. Der Aschenbecher auf dem Couchtisch quoll über, und in einer Ecke standen einige leere Bier- und Weinflaschen. Ordnung schien auch nicht unbedingt Franks Sache zu sein.
Besorgt folgte er Mias Blicken. »Hier ist es ziemlich unordentlich, tut mir leid.«
Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie den Abend bei ihm beenden würden. Das überraschte Mia. Aber es sprach auch für Frank. Er hatte nicht geplant, sie abzuschleppen, es war einfach passiert.
»Kein Problem«, sagte sie leichthin und prostete Frank mit ihrer Flasche zu. Sein Gesichtsausdruck änderte sich, die Konturen wurden markanter, der niedliche Junge verwandelte sich in einen begehrenswerten Mann. Er legte Mia seine große Hand an die Wange, und sie schmiegte sich hinein. Diese kleine, intime Geste barg alles in sich – ihr Vertrauen in Frank, ihr Begehren und, ja, ihre Liebe. Sie stellte keine Fragen, sie war nicht unsicher oder ängstlich, sie wusste in dieser Sekunde mit geradezu überwältigender Klarheit, dass sie Frank wollte, jetzt und für immer.
»Darf ich dich küssen?«, fragte Frank, und als sie »Ja!« sagte und die Wärme seiner Lippen spürte, war das für sie wie ein Versprechen.
Frank ließ sich viel Zeit, sie auszuziehen und ging dabei sehr behutsam und zart vor. Geradezu ehrfürchtig öffnete er ihren Büstenhalter und nahm ihn in die Hand.
»Wow!«, rief er begeistert.
Mia rekelte sich auf dem Sofa und hob ihm erwartungsvoll ihre Brüste entgegen. Zu ihrer Verwunderung galt Franks Kompliment jedoch ihrer bordeauxroten Unterwäsche, die mit schwarzer Spitze besetzt war, und nicht ihrem nackten Körper mit der makellosen Haut und der sanften Wölbung unter dem flachen Bauch.
Frank hielt mit seligem Gesichtsausdruck eins der BH-Körbchen an seine Nase und schien Mias Irritation gar nicht zu bemerken.
»Was für wundervolle Wäsche«, murmelte er hingerissen, und nun erst besann er sich auf das Wesentliche.
Als er sich auf Mia rollte, ging er dabei sehr vorsichtig vor, fast ängstlich. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er. Es schien ihn nicht zu beruhigen, dass Mia vor Glück strahlte. Nur zögernd drang er in sie ein und vergewisserte sich dabei immer wieder, dass es ihr gut ging. Er war der zärtlichste, rücksichtsvollste Liebhaber, den Mia je gehabt hatte. Alles an ihm fühlte sich warm, weich und sehr vertraut an.
In einer einzigen Nacht vervollständigte Frank alles, was Mia je gefehlt hatte. Sie war die glücklichste Frau auf der Welt.
3
Als Mia das nächste Mal zu Arthur kam, nahm er nicht auf dem Sofa, sondern auf einem weißen Sessel am Fenster Platz. Er hatte ein Kissen für sie bereitgelegt, geschmacksneutrale Kondome besorgt, und zusätzlich zum Champagner standen Wasser und Scotch zur Auswahl. Mia blieb beim Champagner, Arthur schenkte sich Whisky ein. Sie wechselten noch weniger Worte als beim ersten Mal. Mia erledigte ihren Job, trank Champagner, schaute dabei ein paar Minuten aus dem Fenster auf die Elbe und die Baukräne auf den zahlreichen Baustellen ringsum, dann verabschiedete sie sich und ging heim.
In den nächsten Wochen änderte sich an diesem Ablauf nichts. Arthur bestellte sie in unregelmäßigen Abständen, manchmal einmal pro Woche, manchmal häufiger. Sie trafen sich zu fast allen Tageszeiten, außer in den frühen Morgenstunden und nachts. Arthur schien genauso viel Zeit zu haben wie Mia. Das überraschte sie. Sie war davon ausgegangen, dass er ein vielbeschäftigter Mann war, der Tag und Nacht arbeitete, um sein Geld zu vermehren. Aber offenbar verbrachte er einen Großteil seiner Tage
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