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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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zuhause.
    Arthur begrüßte und verabschiedete sie stets mit einem festen Händedruck. Er trug immer ein frisch gebügeltes Hemd, eine Anzughose und teure Lederschnürschuhe, manchmal sogar Krawatte und Jackett. Selbst an den ersten warmen Frühlingstagen wählte er keine luftigere Kleidung. Mia machte sich jedes Mal so sorgfältig zurecht, als würde sie zu einer Verabredung mit ihrem Geliebten gehen. Sie bevorzugte schmal geschnittene Kleider und hohe Stiefel, die ihre schlanke Figur betonten. Sie zog sich sogar weiterhin extra schöne Unterwäsche mit Strapsen und Strümpfen an. Dabei wusste sie, dass Arthur ihre Dessous nie ansehen würde, ja, sie war sich nicht mal sicher, ob ihm überhaupt auffiel, was sie darüber trug.
    Sie befriedigte ihn nicht immer mit dem Mund, oft genügte es ihm, wenn sie ihn in die Hand nahm. Aber er wollte nie etwas anderes und zog sich auch nie weiter aus.
    Arthur machte sie nicht mehr nervös, aber sie war auch nicht richtig entspannt in seiner Gegenwart. Während er mit geschlossenen Augen auf seinem Sessel saß und sich seinen Begierden hingab, fühlte sie sich ihm ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen. Doch sobald er die Augen öffnete, wurde sie sich seiner Stärke bewusst und ließ sich von ihr einschüchtern.
    Sie gewöhnte sich an, auf dem Hinweg den Bus zu nehmen und auf dem Rückweg zu Fuß zu gehen. Sie brauchte den Spaziergang, um wieder zu sich zu finden und ihre Gefühle zu sortieren. Es war ihr so, als würde sie zwischen zwei Welten pendeln, in denen sie eine jeweils andere Rolle spielte.
     
    Nach ihrer anfänglichen Enttäuschung darüber, dass sie selbst nicht auf ihre Kosten kam, arrangierte Mia sich mit Arthur und ihrem neuen Job . Sie bemühte sich, nicht allzu sehr über ihr Verhältnis zu Arthur nachzudenken, falls man überhaupt von einem Verhältnis sprechen konnte. Sie verdrängte ihre Zweifel ebenso wie den gelegentlich aufwallenden Selbstekel und die Abscheu davor, wie nüchtern sie diese immer gleichen sexuellen Handlungen vollzog. Sie erzählte niemandem davon, nicht mal ihren besten Freundinnen Henny und Annika – und zwar nicht nur, weil sie mit Arthur Stillschweigen vereinbart hatte. Sie wusste einfach nicht, wie sie diese Geschichte erklären sollte. Sie wusste ja nicht mal, wie sie das Ganze nennen sollte. Eine Affäre war es nicht. Eine Liebesbeziehung erst recht nicht. Dann schon eher ein Tauschhandel. Arthur brauchte diese nüchterne, sterile Form der Befriedigung, und Mia brauchte das Geld. Und das Gefühl, etwas völlig Absurdes zu tun, etwas, das sich außerhalb ihres bisherigen Lebens befand und somit gut zu dem passte, was ihr neues Leben ausmachte: abgründiges Chaos. Was sie mit Arthur hatte, war ein einfacher Deal. Nur – wie sollte Mia das ihren Freundinnen begreiflich machen?
     
    Es gelang ihr nicht, mehr über Arthur in Erfahrung zu bringen. Er sprach kein Wort über sich, und in den Räumen, die Mia zu Gesicht bekam, gab es keine Hinweise, keine privaten Fotos, keine Briefe, die herumlagen, nichts. An der Wohnungstür hing kein Namensschild. Gelegentlich befiel Mia noch dieses seltsam unbestimmte Gefühl, Arthur zu kennen, aber ihr fiel nie ein, woher. Es gab nur einen Weg, mehr über ihn zu erfahren: Sie musste ihn fragen.
    Doch das schien unmöglich zu sein. Keine Fragen, hatte Arthur verlangt, und er selbst hielt sich in jeder Hinsicht daran. Die einzigen Fragen, die er ihr stellte, lauteten: »Was möchten Sie trinken?« und: »Wann kommen Sie wieder?« Es erschien Mia aussichtslos, diese Mauer des Schweigens zu durchbrechen.
     
    Bei einem ihrer Besuche wagte sie doch eine Frage:
    »Finden Sie nicht auch, dass es langsam mal Zeit wird, dass wir uns duzen?«
    Arthur zog erstaunt die Augenbrauen zusammen. »Warum?«
    »Na ja, Sie lassen hier regelmäßig die Hosen vor mir runter und wir werden sehr intim miteinander. Da ist so ein distanziertes Sie doch ziemlich fehl am Platz, oder nicht?«
    »Ich lasse auch vor meinem Arzt die Hosen runter und duze ihn trotzdem nicht«, entgegnete Arthur. Er stand mit seinem Whiskyglas in der Hand am Fenster, sein Blick war verschlossen und abweisend. Mia trug ein knielanges, moosgrünes Baumwollkleid mit weiten Ärmeln, die Haare fielen ihr offen auf die Schultern. Sie sah schön und selbstbewusst aus, und so fühlte sie sich auch. Arthur war der Letzte, von dem sie sich heute einschüchtern lassen würde. Kämpferisch reckte sie ihr Kinn vor.
    »Ihr Arzt bläst Ihnen aber auch keinen,

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