Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
Vom Netzwerk:
gekommen, mit Stefan Büttner wilden, schmutzen Sex zu haben? Warum fand sie es überhaupt so großartig, sich auf diese Weise hinzugeben? Sie verstand das nicht. Mit Frank und all seinen Vorgängern war der Sex immer so harmlos und brav gewesen, fast langweilig, fand sie jetzt. Doch schon mit Arthur war alles irgendwie anders gewesen – aufregend anders. Etwas hatte sich in den letzten Jahren verändert.
     
    »Ich habe einen schrecklichen Verdacht.«
    Annika hockte zusammengesunken auf Mias Sofa und bot ein Bild des Jammers. Sie sah alt und müde aus, hatte dicke, verquollene Augen und ihre Haare brauchten dringend einen neuen Schnitt. Auf ihrem verwaschenen kakaofarbenen Shirt prangte ein heller Fleck, vielleicht Zahnpasta oder Milch.
    »Was ist denn los?« fragte Mia bestürzt. Nele schoss ihr durch den Kopf, Annikas ewiges Sorgenkind. Nahm sie jetzt etwa Drogen? Hatte sie die Schule abgebrochen?
    »Ich glaube, Matthias hat eine andere Frau.« Annikas Stimme zitterte, in ihren Augen flackerte Panik auf.
    »Waaas???« Mia konnte es nicht glauben. Doch nicht Matthias, der seit siebzehn Jahren den treusorgenden Ehemann und Vater gab.
    »Ich kann es gar nicht so genau festmachen, es ist eigentlich mehr ein Gefühl.« Annika fuhr sich nervös durch die Haare. »Da ist plötzlich so ein Geruch, der ihn umgibt.«
    »Ein Geruch?«
    »Ja, wie das Parfüm einer anderen Frau. Und er ist so abwesend, selbst dann, wenn er neben mir sitzt. Es kommt mir so vor, als sei ich ihm total gleichgültig.«
    »Das redest du dir bestimmt nur ein. Wahrscheinlich ist er bloß völlig überlastet. Rede mit ihm!«
    »Das wage ich nicht. Ich habe Angst vor der Gewissheit. Wenn da eine andere Frau ist, dann übersteht unsere Ehe das nicht, da bin ich mir total sicher.«
    »Aber was willst du sonst machen? Die Augen verschließen und hoffen, dass es vorüber geht?«
    »Vielleicht.«
    Sie schwiegen lange. Mia musste erst mal verdauen, was Annika gesagt hatte. Wenn es sogar in dieser Bilderbuchehe Risse gab, welche Hoffnung bestand dann noch, dass es überhaupt irgendein Paar schaffen konnte?
    »Es war so viel los in den letzten Jahren. Die ganzen Schwierigkeiten mit Nele. Und Matthias war beruflich so angespannt.« Annika suchte in hilfloser Verzweiflung nach Erklärungen. Mia vermutete, dass der Sex mit Annika auch nicht sonderlich aufregend war, nach allem, was sie immer erzählt hatte. Aber das sagte sie natürlich nicht. Stattdessen versuchte sie Annika zu beruhigen. »Mach dich bloß nicht verrückt. So lange du keine handfesten Beweise hast, ist doch gar nicht sicher, ob an deinem Verdacht was dran ist.«
    »Aber wenn was dran ist? Oh Gott, Mia, mir wird ganz schlecht, wenn ich nur daran denke.«
    »Das kann ich gut verstehen.« Mia dachte an ihre eigene Verzweiflung, ihre Übelkeit, das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen, als Frank damals gegangen war. Aber sie dachte auch daran, was seitdem geschehen war.
    »Seltsam«, sagte sie und staunte über ihre eigenen Worte. »Ich finde meine Scheidung gar nicht mehr so schlimm. Irgendwie ist alles gut so, wie es jetzt ist.«
    »Tatsächlich?« Annika richtete sich ein wenig auf. »Was ist mit Stefan? Läuft es gut zwischen euch?«
    »Großartig, ja.«
    Seit Wochen befand Mia sich in einem endlosen Rausch aus beruflichen Erfolgen und wilden, aufregenden Nächten mit Stefan. Sie schlief kaum noch und war dabei so produktiv wie schon lange nicht mehr. Fast war es wie in alten Zeiten, in denen sie bis zum Umfallen gearbeitet hatte und trotzdem nächtelang mit Frank um die Häuser gezogen war.
    Allerdings ging Mia nicht mehr davon aus, dass dieser Rausch ewig halten würde. Sie wusste, dass alles ein Ende hatte, und seit sie ohne jegliche Sicherheiten lebte, war sie sich der Zerbrechlichkeit des Augenblicks viel mehr bewusst. Doch das machte ihr keine Angst mehr, sondern war überraschend erleichternd. Sie besaß die Freiheit, täglich neu zu entscheiden, welche Richtung ihr Leben nehmen sollte. Für sie war es viel einfacher, etwas wieder aufzugeben und den Mut für Neues zu entwickeln, als für Annika, die in uralten, festen, starren Formen steckte.
    Verwundert stellte Mia fest, dass sie ihr neues Leben mit all seinen Ungewissheiten liebte. Gestern hatte sie gerade erst ihr Romanmanuskript an zwei Agenturen geschickt. Arthur war ihr in den Sinn gekommen, der sie bei der Suche nach einem Verlag unterstützen wollte. Pah, dachte sie selbstbewusst, als sie die Mails abschickte, wozu brauchte sie einen

Weitere Kostenlose Bücher