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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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wurde von seinen Freunden zum Junggesellenabschied abgeholt und kam erst am nächsten Morgen sturzbetrunken zurück. Zum Polterabend rückte das ganze Dorf an, und es floss noch mehr Alkohol. Nach der standesamtlichen Trauung fand ein großer Empfang statt (natürlich nicht ohne reichlich Alkohol), und am Tag der kirchlichen Trauung war Mia bereits so erledigt, dass sie kaum wusste, wie sie diesen Tag (an dem der Alkohol erst recht in Strömen fließen würde) auch noch durchstehen sollte.
    Natürlich war Tante Gisela gekommen. Und ein gewisser Onkel Udo. Und noch ungefähr ein Dutzend weitere Verwandte, die Mia und Frank nicht eingeladen hatten.
    Tante Gisela war den ganzen Tag missmutig. In der Kirche war es zu kalt, das Essen, bei dem Mia sich wenigstens teilweise durchsetzen konnte, war zu exotisch - »Antiwas?« »Antipasti, Tante Gisela.« »Kenn ich nicht. Wieso gibt’s denn keine Hochzeitssuppe?« -, die Musik nicht nach ihrem Geschmack.
    Onkel Udo war bereits abends um sieben so betrunken, dass er sich Mias junger Cousine Sophie vor den Augen seiner eigenen Frau äußerst aufdringlich näherte. Und Ursula, Hartmuts Schwester, erklärte im Laufe des Abends immer häufiger und lauter, Mia würde ihr Eheversprechen gar nicht ernst nehmen – sicherstes Anzeichen dafür: die Braut hatte ihren Mädchennamen behalten.
    »So was tut man nur, wenn man Angst hat«, erklärte Ursula und kräuselte ihre Lippen, während sie das Brautpaar misstrauisch beäugte.
    Der Teilzeitschwule Rocco beeindruckte hingegen alle Damen über sechzig damit, dass er sich als sehr guter Tänzer erwies und Erika und ihre Schwester Hilde gekonnt zu Walzerklängen über das Parkett wirbelte.
    Mias Familie, die nicht halb so trinkfreudig wie Franks Verwandtschaft war, schaute sich das bunte Treiben mit einer Mischung aus Vergnügen und Widerwillen an. Hartmut Lohmann trank seine halbe Sippe unter den Tisch und interessierte sich nicht für all die Nebenschauplätze. Erika Lohmann war peinlich berührt angesichts der Entgleisungen ihrer Verwandtschaft, doch sie bemühte sich um Haltung. Frank verkniff sich die meisten seiner bösen Bemerkungen, und Mia ignorierte einfach alles, was nicht in ihr Bild einer Traumhochzeit passte. Sie war glücklich. Endlich gehörte ihr geliebter Frank ganz ihr.
     

6
     
    Mia dachte lange darüber nach, was sie Arthur von Frank erzählen wollte. Im Geist legte sie sich eine Rede zurecht, in der sie Arthur alles erklärte, was es zu erklären gab.
    Sie sah ihrer nächsten Verabredung voller Ungeduld entgegen, und als er ihr die Tür öffnete, strahlte sie ihn erwartungsvoll an. Arthur reichte ihr jedoch so steif und förmlich wie bei ihrer allerersten Begegnung die Hand. Sein Blick war ernst und undurchdringlich. Verwirrt und enttäuscht stolperte Mia ins Wohnzimmer.
    Sie wusste selbst nicht, was sie eigentlich erwartet hatte. Ein Lächeln auf jeden Fall. Vielleicht sogar eine Umarmung. Irgendetwas, womit Arthur zum Ausdruck brachte, dass die Dinge sich seit ihrem gemeinsamen Essen verändert hatten. Er konnte doch nicht einfach so tun, als hätte es ihre Gespräche und Mias Tränen nie gegeben. Und doch tat er genau das.
    Mutlos nahm Mia auf dem Kissen vor seinem Sessel Platz und öffnete fast widerwillig seine Hose. Zum ersten Mal, seit sie vor Arthur kniete, kam ihr diese Handlung entwürdigend vor.
    Sie waren schnell fertig, Arthur legte heute keinen Wert auf unnötige Intimitäten, und Mia bemühte sich nicht um besondere Raffinessen. Als sie bei ihrem After-Work-Drink angekommen waren, holte sie tief Luft.
    »Arthur, ich …«, hob sie an, doch er unterbrach sie barsch:
    »Weißt du, ich bin im Moment beruflich sehr eingespannt. In den nächsten Wochen muss ich einige Reisen machen, und da wird wenig Zeit für unser Arrangement bleiben.«
    Es war wie eine Ohrfeige, die Mia innerlich vor Schmerz zusammenzucken ließ. Sie schluckte hart und würgte alles hinunter, was sie sich zurechtgelegt hatte. Was war sie doch für eine blöde Kuh! Natürlich hatte Arthur kein Interesse an ihr und ihren Problemen, wie hatte sie nur etwas anderes annehmen können? Er hatte doch deutlich genug gezeigt, wie sehr er von ihren Tränen genervt war.
    Andererseits – warum hatte er sie dann anschließend nach Hause gefahren? Der Sturm war längst abgeklungen, das war nicht der Grund. Vielmehr war das beinah eine fürsorgliche Geste gewesen. Mia verstand das nicht. Aber Arthur hatte sich in den letzten Monaten selten durch

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