_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste
gut.
In diesem Moment kam ein anderer Reiter am Tor vorbei und ritt jäh langsamer. Mr.
Blakes Pferd wurde unruhig, und unwillkürlich schauten Jeremy und Miss Dane zum Tor.
Lord Allington saß straff aufgerichtet im Sattel und betrachtete sie einen Moment sehr kühl. Dann hielt er sein Pferd zum Trab an und ritt rasch weiter.
„Mir scheint, Seine Lordschaft hat schon wieder schlechte Laune“, bemerkte Mr.
Blake lakonisch, obwohl er innerlich etwas beunruhigt war.
„Ja, es sah ganz danach aus“, stimmte Antonia leise seufzend zu.
Daher also wehte der Wind. Jeremy winkte ihr zu und ritt die zu Rye End Hall verlaufende Allee hinunter. Lord Allington war also der Anlass für Miss Danes Unglück. In London hatte Jeremy oft genug miterlebt, dass gedankenlose Aristokraten mit der Zuneigung junger Damen spielten, die nicht unter dem Schutz wachsamer männlicher Verwandter standen. Er nahm sich vor, mit der Tante zu reden. Da sie keine Tochter hatte, würde sie bestimmt über den Vorschlag entzückt sein, Miss Dane unter ihre Fittiche zu nehmen.
Antonia kehrte ins Haus zurück. Ihr Herz klopfte noch immer sehr heftig, weil sie Marcus so unerwartet wieder gesehen hatte. Sie fragte sich, ob er die Absicht gehabt haben mochte, sie zu besuchen, und dann durch Mr. Blakes Anwesenheit davon abgehalten worden war, den Vorsatz auszuführen. Sie ahnte nicht, dass ihr Gedankengang dem Mr. Blakes glich, als sie sich sagte, sie sei zwar Miss Dane, Herrin von Rye End Hall in Hertfordshire, habe aber dennoch keine Mitgift und keinen männlichen Schutz.
Sie war naiv gewesen. Marcus hatte ihr Land haben wollen und erwartet, dass sie ihm zum Ausgleich für einen Titel und einen stattlichen Haushalt eine gefügsame, ihm ergebene Frau sein würde, die willens war, darüber hinwegzusehen, dass er eine Mätresse hatte, und auch keinen Anstoß an seiner zweifellos vorhandenen Spielleidenschaft und seinen sonstigen Vergnügungen nahm. Wie ein dummes Dorfmädchen hatte sie erwartet, er werde sie lieben, sie umwerben und ihr treu sein.
Nun, sie war nicht gewillt, sich mit weniger zufrieden zu geben. Es war sehr gut, dass sie sein wahres Gesicht schon jetzt erkannt hatte, statt erst nach der Hochzeit, wenn sie an ihn gebunden war und sich Demütigungen und Enttäuschungen ausgesetzt sah.
Voll neu erwachter Tatkraft machte sie sich auf die Suche nach Maria und fand sie beim Arrangieren von Rosen im kleinen Salon.
„Habe ich soeben Lord Allington vorbeireiten gesehen?“ fragte Maria frei heraus.
„Ja.“ Antonia wich dem Blick der Freundin aus.
„Was ist denn los, Antonia? Ich dachte, Seine Lordschaft wolle dir einen Heiratsantrag machen. Spielt er nur mit dir? Falls er das tut …“
„Er hat um meine Hand angehalten, und ich habe ihn nicht erhört.“ Einen Moment lang herrschte Stille. Dann äußerte Miss Donaldson bestürzt: „Du hast ihn nicht erhört? Warum nicht, Antonia? Er ist eine ausgezeichnete Partie. Ich war überzeugt, dass du ihn liebst. Als du neulich abends von der Terrasse zurückkamst, war dein Glück beinahe greifbar …“
Antonia schluckte und dachte daran, wie sehr sie Marcus immer noch liebte. „Ich habe festgestellt, dass seine moralischen Grundsätze nicht denen entsprechen, die ich bei meinem Gatten voraussetze. Ich muss den Mann, den ich heirate, respektieren können.“
Wie erwartet, war Maria beschwichtigt. Mangelnde Moral würde sie nie tolerieren.
„Nun, meine Liebe, es ist ein wahres Glück, dass du herausgefunden hast, wie sehr du dich in Lord Allington getäuscht hast. Natürlich werden wir ihn von nun an gesellschaftlich ignorieren. In diesem Haus wird er nicht mehr willkommen sein. Ganz sicher nicht! Die Ankunft Sir Josiahs und seiner Gattin könnte uns daher nicht gelegener kommen. Wir werden nicht auf uns angemessene Gesellschaft verzichten müssen. Und falls Mr. Blake ebenfalls hier wohnen sollte, werden sich zweifellos viele junge Leute in Rye End Hall einfinden.“
Antonia wollte etwas erwidern, wurde jedoch durch das plötzliche Erscheinen des jungen Jem daran gehindert.
„Entschuldigung, Miss, aber kommen Sie bitte schnell. Dem alten Mr. Johnson geht es nicht gut.“
Die Damen eilten hinter Jem her, der auf den Hinterhof lief, wo der alte Gärtner grauen Gesichts auf einem Holzklotz saß.
„Sind Sie krank, Mr. Johnson?“
Der alte Mann war bemüht, sich zu sammeln, und stieß eine Reihe von Flüchen aus, bei denen Antonia sich hastig die Ohren zuhielt. Mühsam beherrschte
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