_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste
hatte. Er hätte jedoch wissen müssen, dass das geringste Anzeichen für Konkurrenz sie dazu bringen würde, auf sehr provozierende und indiskrete Weise ihre Besitzansprüche zu demonstrieren.
„Falls es um Lady Reed geht …“ fing er an.
„Um Lady Reed! Sie haben die Stirn, Ihre Metze zur selben Zeit, in der Sie mir einen Heiratsantrag machen wollen, zu sich einzuladen, und wundern sich nun, dass ich ihn nicht annehme? Ich hätte gedacht, Mylord, dass Sie mehr Verstand haben.“ Dicke Regentropfen fielen, doch weder Antonia noch Marcus beachteten sie, weil sie viel zu sehr mit ihrer Auseinandersetzung befasst waren.
„Metze! Bei einer Dame ist das eine sehr befremdliche Ausdrucksweise! Und wenn wir schon unverblümt über solche Dinge reden, dann kann ich dir sagen, dass Lady Reed nicht meine Mätresse ist!“
„Belügen Sie mich nicht!“
„Wie kannst du es wagen!“ Marcus' Stimme war so laut gewesen wie der über Antonia grollende Donner.
„Ich wage das, weil ich die Wahrheit sage! Ich habe Augen im Kopf und kann sehen!“ Kaum hatte Antonia das geäußert, merkte sie, dass sie sich verraten hatte.
„Was hast du gesehen? Wovon redest du?“ Das Regenwasser rann Marcus über das Gesicht und troff ihm aus den Haaren.
„Ich habe Sie heute Nachmittag gesehen!“ platzte Antonia heraus. „Ich habe Sie hinter dem Sommerhaus gesehen, mit Ihrer Hu…“
„Derjenige, der hinter jemandem herspioniert, muss damit rechnen, etwas Unerfreuliches zu sehen.“ Marcus' Wangen waren gerötet, aber Antonia hätte nicht sagen können, ob vor Wut oder Beschämung.
„Sie leugnen nicht?“ fragte sie hitzig.
„Ich werde mich nicht vor dir rechtfertigen, Antonia. Wenn du nicht bereit bist, dich auf mein Wort zu verlassen, dann hast du Recht. Wir passen nicht zueinander.“ Steif verneigte er sich, setzte den Hut auf das triefend nasse Haar und ging zu seinem kläglich unter dem Baum stehenden Pferd.
Trotz des Unwetters verweilte Antonia auf der Stelle, bis sie den Hufschlag nicht mehr hörte. Dann stolperte sie in dem vollkommen durchweichten Kleid, dessen nasser Rock ihr an den Beinen kleben blieb, zum Haus zurück.
KAPITEL 9
Die Sturzfluten der vergangenen Nacht hatten fast alle Rosen im Garten des Witwenhauses ruiniert. Der Regen hatte jedoch die Luft gereinigt. Der Tag war schön, und der leichte Wind trug dazu bei, dass die gekiesten Wege schnell trockneten. Plötzlich hörte Antonia Hufklappern und presste die Hand auf die Kehle.
„Marcus!“ sagte sie und sah gleich darauf den Reiter in die Auffahrt des Witwenhauses biegen.
Aber es war nicht Marcus, der zu Besuch kam. Antonia bemühte sich, die Enttäuschung nicht zu zeigen, als sie Mr. Blake erkannte. Sie ging zu ihm, und als sie bei ihm war, hatte sie sich wieder gefasst.
Sie begrüßte ihn, bat ihn in den Salon, wo die nähende Freundin saß, und ließ ihm eine Erfrischung servieren. Er fand jedoch, dass sie, obwohl sie lächelte, einen etwas niedergeschlagenen Eindruck machte. Unwillkürlich überlegte er, was sie aus dem inneren Gleichgewicht gebracht haben mochte, konnte es indes nicht erraten. Er teilte den Damen mit, dass sein Onkel und seine Tante, die bald eintreffen würden, sich schon jetzt darauf freuten, sie zu sehen, wann immer es Miss Dane und Miss Donaldson genehm sei.
Dann fügte er hinzu, er habe in der Remise einen Einspänner vorgefunden, den er den Damen selbstverständlich überlassen werde. Da sie kein Pferd hatten, gedenke er, ihnen ein nicht mehr von ihm benötigtes älteres und sehr gut lenkbares Kutschpferd zu schenken.
„Wie reizend von Ihnen, und wie umsichtig!“ rief Antonia entzückt aus. „Leider haben wir keinen Stallknecht.“
„Wir müssen jemanden für die schwereren Arbeiten einstellen“, warf Maria ein. „Jem ist zu jung und Mr. Johnson zu alt.“
„Ich werde mich darum kümmern, dass Sie einen verlässlichen Mann bekommen“, sagte Mr. Blake und stand auf. Er verabschiedete sich von Miss Donaldson und wurde von Antonia zur Haustür begleitet. Sie wartete auf der Freitreppe, bis er auf seinem Pferd zum Portal geritten kam. Er hielt es an, zog den Hut und beugte sich zu ihr, da er den Eindruck hatte, dass sie ihm noch etwas sagen wolle.
Sie reichte ihm die Hand. Er ergriff sie und hielt sie fest. „Ich möchte mich noch einmal für Ihre Freundlichkeit bedanken, Mr. Blake.“ Antonia lächelte ihn an. Er war so unkompliziert und ehrlich, und seine offenkundige Bewunderung tat ihrem wunden Herzen
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