_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste
Es kam ihr vor, sie habe schon die ganze Zeit gewusst, dass Marcus sie nicht liebte und nur ihre Ländereien, aber nicht sie selbst haben wollte.
Sie sagte sich, sie sei eine Närrin, denn schließlich hatte er ihr nie von Liebe gesprochen. Daher konnte sie ihm nicht grollen. Alles war nur ihre eigene Torheit und allein auf ihre romantischen Tagträume zurückzuführen. Ihre Unerfahrenheit hatte sie dazu gebracht zu glauben, die Leidenschaft eines Mannes ginge mit Liebesgefühlen einher. Nun begriff sie, dass Männer Frauen begehren konnten, ohne sie zu lieben. Und sie konnten zur selben Zeit Begierde nach mehr als einer Frau haben.
Zweifellos waren mehrere Hundert Acres Land ein starker Beweggrund, um Begierde zu empfinden.
Nach dem Abendessen setzte Antonia sich in den Garten und wartete auf Marcus.
Über dem Fluss sah man Wetterleuchten. Die Luft war schwül, und in dem leichten Sommerkleid kam Antonia sich vor, als hätte sie einen Pelz an, so drückend war die Hitze.
Je länger sie wartete, desto schwerer fiel es ihr, die Fassung zu behalten. Dann hörte sie endlich Hufschlag und stand heftig pochenden Herzens auf.
Marcus ließ das Pferd über die Allee trotten, bemerkte vor einem Rosenstrauch die hoch gewachsene, schlanke Gestalt im hellgelben Sommerkleid und lenkte das Tier zu ihr. Dann sprang er aus dem Sattel, warf die Zügel über einen Ast und ging herzlich lächelnd über den Rasen zu ihr.
Antonia wusste, dass ihr Gesicht wie erstarrt aussah. So sehr sie sich auch bemüht hatte, es war ihr nicht gelungen, eine einigermaßen freundliche Miene zu machen.
Beim Näherkommen bemerkte er den Ausdruck ihres Gesichts und setzte eine besorgte Miene auf.
„Was ist nicht in Ordnung, Antonia?“ Er ergriff ihre Hand und hob sie zum Kuss an die Lippen.
Hastig entzog sie ihm ihre Hand. Sie sehnte sich nach ihm, nach der Berührung durch ihn, und bekam plötzlich schwache Knie. Aber sie konnte es sich nicht erlauben, Schwäche zu zeigen, denn sonst war sie verloren, weil sie ihn so sehr liebte.
„Mylord“, sagte sie förmlich und steif. „Ich muss Ihnen sagen, dass es ein Fehler von mir war, gestern Ihren Heiratsantrag anzunehmen, so schmeichelhaft er für mich auch ist. Nach reiflicher Überlegung muss ich Sie zurückweisen. Wir passen nicht zueinander.“
„Wir passen nicht zueinander?“ Marcus' Stimme hatte ungläubig geklungen. „Was meinst du damit, Antonia?“
Sie straffte sich und atmete beruhigend durch. „Ich meine, was ich sagte, Mylord.
Wir passen nicht zueinander. Ich bin nur froh, dass wir gestern durch die Umstände daran gehindert wurden, unsere Verlobung bekannt zu geben.“ Marcus lachte kurz auf. „Wir haben sie zwar nicht bekannt gegeben, aber unsere Freunde wissen, womit sie rechnen müssen.“
„Ich habe nichts getan, das sie berechtigt, Schlussfolgerungen zu ziehen“, entgegnete Antonia steif. „Was Sie getan haben, Mylord, ist allein Ihre Sache!“
„Verdammt, Antonia, hör endlich auf, mich ,Mylord' zu nennen!“
„Wie können Sie in diesem Ton mit mir reden?“ Es donnerte, und Antonia zuckte zusammen.
Marcus zögerte keinen Moment. Er zog sie in die Arme, küsste sie auf den Mund und merkte, dass ihr Widerstand zum Erliegen kam. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe, und es kam ihr so vor, als sei der Donner über ihr so laut wie das Klopfen ihres Herzens. Marcus' streichelnde Hände waren überall und blieben schließlich auf ihren Schultern liegen. Auf der bloßen Haut fühlten sie sich warm an.
Antonia sehnte sich sehr nach ihm, und als er sie wieder küsste, öffnete sie willig die Lippen. Sie schob ihm die Hände ins Haar und sah im gleichen Augenblick in Gedanken Lady Reed vor sich.
Sogleich versteifte sie sich. Sie hatte den Eindruck, sie könne den Geschmack der Lippen Ihrer Ladyschaft auf seinem Mund wahrnehmen, und diese Vorstellung stieß sie ab. Angewidert löste sie sich von Marcus.
„Mein Gott, Antonia!“ rief er aus und strich sich über das in Unordnung geratene Haar. „Wie kannst du behaupten, wir passten nicht zueinander? Ich habe nie eine Frau gekannt, die meine Küsse mit solcher Leidenschaft erwiderte.“
„Und Sie haben sehr viele Frauen gekannt, Mylord“, sagte sie erregt.
Also darum ging es. Die verdammte Claudia! Als sie uneingeladen und gegen seinen Willen erschienen war, hatte er befürchtet, genau so etwas würde passieren. Er hatte sie angefleht, diskret zu sein und nicht damit zu protzen, dass sie ein Verhältnis mit ihm
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