Echo der Angst - Eden, C: Echo der Angst
frostigsten Stimme. Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens fuhr sie fort: »Wir müssen die andere Leiche sehen.«
Doch der Sheriff – Hank Davis, wie Luke sich erinnerte – schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Wir haben Sally Jenkins gestern beerdigt.«
Luke knirschte mit den Zähnen. Leichen zu exhumieren war immer fürchterlich nervig. Vor allem in diesen spießigen Südstaaten-Käffern. Die Leute mochten es nicht, wenn man ihre Toten wieder ausgrub.
Was er ihnen nicht verübeln konnte.
Monica kniff die Augen zusammen und trat vom Tisch weg. »Beerdigt? Sie wussten doch, dass das FBI kommt! Schließlich haben Sie uns gerufen. Die Leiche hätte nicht freigegeben … «
»Da gab’s keine Leiche, die man hätte freigeben können. Von der kleinen Sally waren nur noch ein paar Einzelteile übrig.«
Man sah und hörte ihm an, wie nah ihm das ging.
Davis hatte das Opfer gekannt.
»Sie haben uns nicht viele Informationen über Sallys Tod zukommen lassen«, bemerkte Luke. Er wählte seine Worte behutsam, schließlich wusste er jetzt, dass es da einen persönlichen Bezug gab. »Ich muss gestehen, ich bin verwirrt. Wie kommen Sie darauf, dass ein Zusammenhang besteht zwischen einer Frau, die man mit einem Messer getötet hat« – Luststiche – »und einer, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam?«
Der Sheriff und der Rechtsmediziner warfen einander einen Blick zu. Dann sah Davis sich um, als wolle er sich vergewissern, dass sich die beiden Deputys nicht wieder hereingeschlichen hatten und horchten. »Ich habe die Information nicht mitgeschickt, aber ich habe Hyde davon erzählt. Er hat das verstanden, und deshalb hat er Sie geschickt.«
Cotton schlurfte zu einem Aktenschrank hinüber. Die Schublade quietschte, als er sie öffnete. »Sie sollten sich das hier mal ansehen.«
Luke nahm ihm die Dokumente aus der Hand und versuchte, beim Betrachten der Fotos einen möglichst unbeteiligten Gesichtsausdruck zu machen.
Dreck.
Totalschaden. Verbogenes Metall.
Teile. Keine Wagenteile. Teile … von ihr. Sally war bei dem Unfall zerrissen worden.
Monica trat neben ihn. Luke hörte, wie sie beim Anblick der Fotos nach Luft rang.
Er studierte die Fotos gründlich. »Was zum Teufel ist das?«
Monica legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er spürte, wie sich ihre Fingernägel in seine Haut bohrten.
»Jetzt können Sie sich wahrscheinlich vorstellen, wieso Sallys Tod mir Kopfzerbrechen macht. Unfallopfer, die am Lenkrad festgebunden sind, erlebt man nicht jeden Tag.«
Nein, wohl nicht.
Meine Güte , dachte Luke. Eine Hand inklusive Handgelenk hing noch am Lenkrad, befestigt mit einem dicken, verknoteten Seil.
»An der Stoßstange waren Spuren – jemand ist Sally kräftig hinten draufgefahren und hat den Wagen in die Schlucht hinuntergestoßen.«
Sally hatte nichts tun können.
Dennoch …
Die beiden Fälle waren zu unterschiedlich. In Sallys Fall hatte jemand möglicherweise eine Versicherungssumme einstreichen wollen, die ihm nach ihrem ›Unfall‹ zugestanden hätte. Eventuell hatte sich der Mörder darauf verlassen, dass das Auto beim Aufprall explodieren würde und die Fesseln verbrennen würden. Eventuell.
Die Messerstiche indessen … nun, Messerstiche waren etwas sehr Persönliches. Intimes.
»Hatte Sally einen Ehemann oder Freund – jemanden, mit dem wir uns mal unterhalten können?«, fragte Monica.
Schweigen.
Sie hob den Kopf und sah Davis an. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Sallys Ehemann Jake kam letztes Jahr bei einem Autounfall ums Leben. Exakt ein Jahr vor Sallys Unfall.« Er schluckte. »Sie saß damals mit im Auto. Ist nur knapp mit dem Leben davongekommen.«
Anders als diesmal.
Diesmal hatte jemand ganze Arbeit geleistet.
»Wieso glauben Sie, dass es zwischen diesen beiden Fällen eine Verbindung gibt?«, fragte Luke. Bizarr war das Ganze ja schon, aber daraus zu schließen, dass es sich um denselben Täter …
»In den letzten zehn Jahren hatten wir hier in Jasper nur zwei Morde.« Davis schwieg einen Augenblick. »Beide fanden in den letzten zwei Wochen statt. Glauben Sie wirklich, hier treiben sich plötzlich gleich zwei solche Arschlöcher rum? Oder nur ein einziges durchgeknalltes Arschloch?« Er legte die Hand auf den Tisch, direkt neben Patty. »Ich würde mein gesamtes Geld verwetten, dass es nur eins ist.«
3
Das Domizil einer Toten zu durchstöbern, in ihren Besitztümern herumzuschnüffeln und die Überreste ihres Lebens zu inspizieren,
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