Echo der Vergangenheit (German Edition)
sich nicht mal die Mühe gemacht, den Jungen auch nur ein einziges Mal zu besuchen, solange er dort stationär therapiert worden war.
Jess nickte schnell. »Ich, äh, wir haben die Funkmasten. Ich glaube, wir können seine Position auf etwa sechzig Meter genau feststellen.«
»Dann los.« Kenton löste sich von Lora. Ihm blieb nichts anderes übrig, die Arbeit rief. »Ich habe Züge gehört. Im Westen der Stadt ist doch ein alter Rangierbahnhof?«
Wieder nickte Jess schnell. »Ja, und in die Richtung deuten auch die Daten.«
Mehr brauchte Kenton nicht zu wissen. »Ramirez, gehen wir.«
Lora packte ihn am Arm und hielt ihn zurück. »Er hat uns beobachtet. Dass ich hier war, wusste er, weil er uns beobachtet.«
Kenton nickte grimmig. Er hatte die Aufmerksamkeit des Bastards auf sich lenken wollen. Dass der Täter sich auf Lora fixierte, war nicht geplant gewesen. Aber jetzt war keine Zeit für Auseinandersetzungen. Er musste sich beeilen. »Bleib bei Monica«, sagte er und machte sich los. Diesmal versuchte sie nicht, ihn aufzuhalten.
Kenton zwang sich, keinen Blick zurückzuwerfen, obwohl er das wahnsinnig gern getan hätte.
Der Killer wartete.
Ich komme, du Arschloch , dachte Kenton.
***
Loras Herz wollte nicht langsamer schlagen. Sie lief in dem winzigen Kontrollraum auf und ab und sah zu, wie die Polizisten an den Geräten herumfummelten. Davenport rief jemanden an, wahrscheinlich Hyde, und bat ihn um weitere technische Ausrüstungsgegenstände, und zwar sofort.
Sie hatte noch immer die Stimme dieses Bastards im Ohr. Immer wieder hörte sie seine Worte.
Magst du das Feuer, Lora? Magst du, wie es brennt?
Sie hatten ihn hetzen wollen. Ihn aufhalten.
Stattdessen beobachtete er sie. Hetzte sie und Kenton. Verdammt, so hatten sie nicht gewettet.
»Haben Sie Familie, bei der Sie unterkommen könnten?«, durchbrach Monicas Stimme die Stille.
Lora runzelte die Stirn. »Sie glauben, der Typ geht auf mich los?« Sollte er doch. Sie würde ihn nur zu gern sehen.
Monica zuckte die Achseln. »Er hat Sie zu einer seiner Spielfiguren gemacht, hat sich explizit an Sie gewandt. Niemand würde es Ihnen übel nehmen, wenn sie woanders hin … «
»Ich laufe nicht vor ihm davon.« Nicht, nachdem sie schon so viel Zeit in die Suche nach ihm gesteckt hatte.
Familie hatte sie genug. Eine Familie, die sie gerne aufnehmen würde. Jeder ihrer Brüder …
Oh verdammt, aber wenn ihre Brüder das herausfanden …
Würde sie keinen Schritt mehr ohne sie machen können. Sie würden jede Minute des Tages bei ihr sein wollen.
Sie konnte es ihnen unmöglich erzählen.
Nein, nein, sie konnte es auf gar keinen Fall erzählen. Auch, weil sie die Jungs nie im Leben einer Gefahr ausgesetzt hätte. Vor allem nicht Ryan.
Sie schüttelte den Kopf. »Meine Familie wird nicht mit reingezogen.« Sie war nicht der Typ, der sich versteckte, außerdem hatte sie die Waffe ihres Vaters, die Ryan ihr drei Jahre zuvor gegeben hatte. Ab jetzt würde sie sie dauernd bei sich tragen.
»Er sollte der sein, auf den Jagd gemacht wird«, brauste Lora auf. »Er ist derjenige, den wir stoppen müssen.«
Nicht durch eine Inhaftnahme. Nicht durch Therapie. Er musste völlig aus dem Verkehr gezogen werden.
Wie er es mit seinen Opfern getan hatte.
»Glauben Sie an ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹?«, fragte Monica.
»Ja.« Wenn es um ihre Liebsten ging … wer denen wehtat, der büßte.
»Wieso, denken Sie, fixiert er sich so auf Sie?«
»Weil er ein krankes Schwein ist und nichts Besseres zu tun hat.« Weil wir beide das Feuer kennen. Wir wissen, wie es sich anfühlt. Nicht wie ein Liebhaber, sondern wie der Teufel, es biss und leckte mit einer Zunge, die einem das Fleisch verbrannte.
»Er weiß über Sie und Kenton Bescheid«, sagte Monica.
Loras Hand zitterte, als sie sich das Haar aus der Stirn strich. »Das habe ich mitbekommen.« Jetzt wusste sie auch, wieso Ramirez vor ihrem Haus auf der Lauer gelegen hatte. Er war Kenton gefolgt, weil er als Köder diente. Eine Rolle, die sie jetzt augenscheinlich teilte.
Sie wischte sich die verschwitzten Hände an der Hose ab. »Glauben Sie, Kenton und Ramirez finden ihn?«
Monica warf einen Blick auf die Polizisten hinter ihr, dann schoss ihr Blick zum Sendeleiter, der tat, als interessiere er sich gar nicht für das, was sie redeten. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Der war weg, sobald er aufgelegt hatte. Aber möglicherweise hat er irgendwas zurückgelassen. Etwas, das uns weiterhilft.«
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