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Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Titel: Echo des Blutes: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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dominanten Geruch handelte es sich um den des Ammoniaks, und der stammte, wenn er sich noch richtig an das erinnerte, was er im Chemieunterricht gelernt hatte, von dem Ammoniumthioglykolat.
    Tommy fand, das Zeug stank ganz erbärmlich.
    Er sagte immer zu seinen Kundinnen, sie könnten den üblen Geruch des stark alkalischen Dauerwellenpräparats am besten mit einem säurehaltigen Produkt wie Tomatensaft loswerden. Tommy riet ihnen, ihn aufs Haar aufzutragen, zehn bis zwanzig Minuten einwirken zu lassen und das Haar dann mit Shampoo zu waschen und gut auszuspülen.
    Die Kundinnen glaubten alle, er sei eine Art Genie, wenn er es ihnen erklärte, und dabei war das nur naturwissenschaftliches Grundwissen. Doch er ließ sie in dem Glauben. In seinen sechsundzwanzig Erdenjahren hatte es nicht allzu viele Leute gegeben, die Tommy Archer als Genie ansahen. Schon gar nicht sein Vater. Andererseits hatte ihm das, was er einst für seinen Vater getan hatte, die immerwährende Dankbarkeit des Mannes eingebracht, wenn nicht sogar dessen Respekt. Das hätte er aber niemals gezeigt.
    Den Geruch der Dauerwelle aus dem Haar zu beseitigen war eine Sache. Ihn jedoch aus dem winzigen, nur fünfzig Quadratmeter großen Ladenlokal des Country Cutz (unbestritten der schlimmste Name in der Geschichte des Geschäftes) zu vertreiben stand auf einem ganz anderen Blatt.
    Obwohl es draußen nur sieben Grad hatte, öffnete Tommy die beiden Fenster zur Straße. Mrs. Smith war heute seine letzte Kundin gewesen.
    Tommy schob eine Kassette in den Rekorder hinter der Kasse und begann zu fegen. Er spürte die Kälte, die durch den Salon zog. Die Feiertage nahten, und das bedeutete mehr Arbeit und mehr Geld. Allerdings bedeutete es auch, dass er die Einsamkeit stärker spürte. Tommy gehörte zu den typischen Kandidaten für Winterdepressionen.
    Im Laden war das Rauchen verboten. Nachdem Tommy den Boden gefegt, die Waschbecken ausgespült und die Kämme und Bürsten gereinigt hatte, trat er vor die Tür und zündete sich eine Zigarette an. Die Hauptstraße des Ortes war menschenleer. Nur die Lichter vom Patsy’s Diner zwei Straßen weiter und von der Aamco-Autowerkstatt gegenüber erhellten die Dunkelheit.
    »Haben Sie noch offen?«
    Tommy fuhr der Schreck in die Glieder. Er drehte sich um. Neben ihm stand ein Mann, und zwar genau neben ihm. Tommy hatte ihn nicht kommen gehört.
    Der Mann trug einen dunklen Mantel.
    Tommy schaute auf die Uhr. »Ehrlich gesagt schließen wir in fünf Minuten.«
    Der Mann strich sich über den Nacken. »Ich hatte gehofft, Sie würden mir noch kurz die Haare schneiden. Ich bin heute Abend zu einer Hochzeitsfeier eingeladen. Der coole Onkel mit der dicken Brieftasche. Wahrscheinlich könnte ich dort auch mit einer bunten Perücke auftauchen, aber ich würde gerne gepflegt aussehen.«
    Tommy schaute noch einmal auf die Uhr, als läge die Antwort dort. Der Mann war ihm sympathisch, und durch die Erwähnung der dicken Brieftasche wollte er sicherlich andeuten, dass Tommy ein hohes Trinkgeld zu erwarten hätte. Außerdem hatte Tommy nichts vor. In diesem Nest gab es keine große Schwulenszene, ja nicht einmal ein Rotlichtviertel. Ihn erwartete nur eine billige Flasche Orvieto und die DVD-Box mit der zweiten Staffel von Jericho – Der Anschlag . Gut, dass es Netflix gab.
    Er musterte den Mann. Freundliche Augen und ein freundliches Lächeln.
    »Nur schneiden?«
    »Ja«, erwiderte der Mann. »Ich bin auch bereit, den doppelten Preis zu zahlen.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Tommy. »Was soll ich in so einem Kaff mit dem ganzen Geld anfangen?«
    Im Grunde war der Haarschnitt gar nicht nötig. Tommy wusste jedoch, dass ein gepflegtes Äußeres vom persönlichen Empfinden des Einzelnen abhing und dass alle Menschen, die er jemals gestylt hatte, etwas anderes darunter verstanden. Jeder hatte das Recht, genau so auszusehen, wie er oder sie es sich wünschte.
    »Ein netter, kleiner Ort«, sagte der Mann.
    Tommy schnaubte verächtlich. »Ja, ist es, wenn es einem nichts ausmacht, in einem Dorf zu wohnen, wo man die falsche Nummer wählt und dann trotzdem eine Stunde mit der Person spricht.«
    Der Mann lachte. »Ich wette, so schlimm ist es auch wieder nicht.«
    Tommy holte den Föhn und blies die Haare von den Schultern des Mannes. Dann puderte er ihm den Nacken.
    »Sie sind also heute zu einer Hochzeitsfeier eingeladen?«, fragte Tommy.
    »Ja.«
    »Und wo? In der Legion Hall?« Tommy nahm den Umhang ab und bürstete die letzten

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