Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
zeigte Novak das Display und scrollte durch die Fotos, die Jessica in Novaks Schlafzimmer gemacht hatte.
Novak schaute ungerührt auf die Fotos.
»Eine sehr interessante Collage«, sagte Byrne.
Novak dachte kurz nach, ehe er sich äußerte. »Ist das bei der Polizei die übliche Praxis, heimlich Fotos zu machen, wenn Ihnen jemand freundlicherweise Zutritt zu seinem Haus gewährt?«
»Die übliche Praxis?«, fragte Byrne. »Nein, ich glaube nicht.«
»Ich bin sicher, dass hier eine Reihe von Grundrechten verletzt wurden. Meine Anwälte werden sich freuen. Zum einen schon mal Durchsuchung und Beschlagnahme.«
»Soweit ich mich erinnere, haben Sie uns ins Haus gebeten, Mr. Novak.« Byrne wandte sich an Jessica. »Und was sagt deine Erinnerung dazu?«
»Ich sehe das genauso.«
»Keine Schläger haben mit Stiefeln Ihre Tür eingetreten, niemand hat sich an der Seite Ihres Hauses abgeseilt und Ihre Fenster eingeschlagen. Es haben sich lediglich drei Personen unterhalten, und zwei davon wurden ins Haus gebeten.« Byrne tippte mit dem Finger auf die Fotos auf dem Handy. »Das alles hier konnte jeder sehen.«
Novak reagierte nicht.
»Haben Sie uns etwas zu sagen?«, fragte Byrne.
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, warum Sie einen ganzen Raum mit Berichten über Mordfälle in der Stadt der Brüderlichen Liebe gepflastert haben.«
Novak zögerte. »Das sind Nachforschungen. Ich interessiere mich für echte Kriminalfälle.«
»Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, geht es mir ebenso«, sagte Byrne und zeigte auf eines der Fotos. »Ich erinnere mich an viele dieser Menschen. In einigen Fällen habe ich selbst ermittelt.«
Novak schwieg wieder.
Byrne tippte auf das Display des iPhones und wählte ein anderes Foto aus. Dieses zeigte einen Teil der Wand, der dem Mordfall Antoinette Chan gewidmet war. Man sah eine Collage von Zeitungsausschnitten aus dem Inquirer , den Daily News und dem Boulevardblatt Report und von späteren Artikeln, als Kenneth Beckman zum Verhör aufs Revier gebracht wurde.
»Wie ich sehe, haben Sie den Mordfall Antoinette Chan aufmerksam verfolgt«, sagte Byrne.
Novak faltete die Hände im Schoß und strich mit einem Finger über seine linke Faust. Eine verbreitete Geste nervöser Menschen. Allmählich wurde es Novak unbehaglich. »Das ist ein interessanter Fall. Einer von vielen. Ich habe schon über Fälle recherchiert, die hundert Jahre zurückliegen. Sie stimmen mir sicherlich zu, dass in dieser Stadt an Kapitalverbrechen kein Mangel herrscht.«
Byrne hob die Hände und verzichtete darauf, Novak zu widersprechen. »Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber wir sollten zunächst einmal über aktuelle Fälle sprechen, okay?«
Keine Antwort.
»Was finden Sie an dem Chan-Fall so interessant?«
Novak lehnte sich zurück, senkte den Kopf und brach den Blickkontakt zu Byrne ab. »Ich fand ihn besonders brutal. Die Waffe, die benutzt wurde, war ein Klauenhammer, wenn ich mich nicht irre.«
»Das ist richtig.«
»Eine solche Waffe zu benutzen zeugt von ungeheurer Wut«, sagte Novak. Er hob kurz den Blick, wandte ihn aber schnell wieder ab.
»Kennen Sie einen Mann namens Kenneth Beckman?«, fragte Byrne.
»Nein.«
Die Antwort war zu schnell gekommen. Jessica sah Novak an, dass er es auch sofort bemerkte, nachdem er die Worte ausgesprochen hatte.
»Sie sind aber mit ihm zur Grundschule gegangen«, sagte Byrne. »Der kleine Kenny war vom zweiten bis zum sechsten Schuljahr in Ihrer Klasse.«
»Ach ja?«
»Nein«, sagte Byrne. »Jedenfalls glaube ich das nicht. Aber so schnell, wie Sie geantwortet haben, könnte es jemand sein, den Sie kennen, denn Sie haben die Frage verneint, ohne eine Sekunde darüber nachzudenken. Warum?«
Novak rutschte unruhig hin und her. »Dieser Mann, nach dem Sie mich gefragt haben … Ich nehme an, er war auf einem der Fotos, die Sie mir in meiner Wohnung gezeigt haben.«
»Ja.«
»Ich kenne niemanden, der so heißt.«
Byrne griff in die Aktenbox und legte das Blatt mit den Fotos auf den Tisch. Novaks Blick wanderte aufmerksam über die sechs Gesichter, offenbar um zu beweisen, dass die Detectives auf seine Mithilfe zählen konnten. Dann schüttelte er den Kopf.
Byrne tippte auf das Foto im iPhone und vergrößerte es. Es war ein neuer Zeitungsausschnitt im Mordfall Antoinette Chan. »Sie sagten, Sie würden Nachforschungen anstellen. Welche Art von Nachforschungen?«
»Ich schreibe eine Oper.«
»Eine Oper?«
»Ja.« Novak rutschte wieder auf
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