Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Falls Joseph Novak Medikamente nahm, bewahrte er sie jedenfalls nicht im Badezimmer auf.
Als Jessica ihre Suche abgeschlossen hatte, betätigte sie die Toilettenspülung. Die Hände wusch sie sich auch, um erstens den Schein zu wahren, und zweitens, weil sie das in fremden Badezimmern stets tat.
Sie verließ das Bad und lauschte. Byrne und Novak unterhielten sich. Jessica huschte über den Flur und stieß leise die Schlafzimmertür auf. Auch das Schlafzimmer sah fast aus wie in einem Möbelkatalog. Ein Kingsize-Bett, zwei Nachttischchen mit Lampen aus Edelstahl und mit rechteckigen Schirmen aus Leinen.
Doch es war nicht das Mobiliar, das Jessica den Atem nahm. Der ganze Raum war mit Papier tapeziert. Sie musste noch ein zweites Mal hinschauen, um zu begreifen, was sie sah. Zuerst dachte Jessica, es wäre eine künstlerisch gestaltete Tapete. War es aber nicht. Was sie zuerst als Tapete gehalten hatte, setzte sich in Wahrheit aus Hunderten von Fotos, Zeitungsausschnitten, Titelblättern von Zeitschriften und Zeichnungen zusammen. Es schien immer um ein und dasselbe Thema zu gehen. Mord.
Jessicas Blick wanderte zu einer großen Korkwand, auf die zahlreiche Seiten aus der Boulevardpresse geheftet waren. Die Seite ganz oben ließ sie erstarren. Es war ein herausgerissener Artikel aus dem örtlichen Boulevardblatt The Report . Die Schlagzeile lautete:
Totgeschlagen in Pennsport!
In dem Artikel ging es um einen brutalen Mord im Jahr 2002, genauer gesagt am 21. März 2002.
Auf dem Foto war die lächelnde Antoinette Chan abgebildet.
Jessica warf einen Blick auf den Flur, um sich zu vergewissern, dass die Luft rein war. Dann nahm sie ihr iPhone aus der Tasche und betrat wieder das Schlafzimmer. Sie fotografierte die Wände, wobei sie nur hoffen konnte, dass das Licht ausreichte. Anschließend kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und hielt ihr Handy hoch.
»Detective?«
Byrne und Novak drehten sich zu ihr um.
»Entschuldige bitte, aber da ist ein Anruf für dich.«
Byrne stand auf und ging in den Korridor, sodass Novak ihn nicht mehr sehen konnte. Jessica deutete auf die offene Schlafzimmertür. Byrne lief aufs Zimmer zu, warf einen Blick hinein und trat einen Schritt zurück.
Sie wechselten einen Blick und verständigten sich wortlos. Byrne schaute zur Wohnungstür. Jessica würde die Tür und Byrne würde Novak übernehmen.
Das ganze Manöver dauerte nur ein paar Sekunden, aber offenbar doch zu lange. Sie hörten ein lautes Geräusch. Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrten, sahen sie den umgekippten Schreibtischstuhl auf dem Boden liegen. Novak war verschwunden.
»Scheiße!« , schrie Byrne.
Er rannte zum Fenster, hinter dem die Feuertreppe nach unten führte. Jessica lief zur Wohnungstür.
Sie öffnete sie und sah in den Hausflur. Er war nicht sehr lang. Nur vier Wohnungen und das Treppenhaus auf dieser Etage. Sie lief zum Aufzug. Stille. Novak hatte bestimmt keine Zeit gehabt, den Aufzug zu rufen und auch nur ein Stockwerk weit zu fahren. Jessica rannte, die Hand an der Waffe, zum Treppenhaus und riss die Tür auf.
Im Treppenhaus war niemand.
Mit der Waffe im Anschlag stieg Jessica leise die Stufen hinunter. Sie bog um die Ecke, stieg die nächsten Stufen hinab und lauschte. Verkehrslärm und Fernsehgeräusche aus einer Wohnung im Erdgeschoss. Keine Schritte.
Als Jessica im Erdgeschoss ankam, musste sie eine Entscheidung treffen. Sollte sie in den Keller gehen oder das Erdgeschoss überprüfen? Sie entschied sich für Letzteres und öffnete leise die Tür in einen kurzen Korridor. Die Eingangshalle lag genau vor ihr. Sie ging den Gang hinunter. Als sie die Eingangshalle erreichte, sah sie Joseph Novak mit zerknirschter Miene auf einem der Stühle sitzen. Sein rechter Fuß tappte nervös auf den Boden.
Jessica ging auf ihn zu und wollte gerade ihre Waffe hochreißen, als sie spürte, dass da noch jemand war. Sie schaute sich um. Es war Josh Bontrager. Mit einem großen Sandwich in der einen und einer Waffe in der anderen Hand lehnte er an der Haustür. Er lächelte und zwinkerte Jessica zu. In diesem Augenblick sahen sie Byrne, der auf die Eingangstür zurannte.
Er betrat das Haus und rang nach Luft. Josh Bontrager biss in sein Sandwich. Jessica trat vor, steckte die Waffe ein und nahm Joseph Novak in Gewahrsam.
32.
Lucy stand vor der Tür, der kleinen roten Tür mit dem angelaufenen goldenen Schlüssel darauf. Sie erinnerte sich kaum noch, wie sie zur Cherry Street gekommen war. Sie wusste nur noch,
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