Echo Einer Winternacht
»Was?«
Ziggy fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Da sind doch überall unsere Fingerabdrücke dran. Und unser Markenzeichen auf der Windschutzscheibe. Als wir nur auf die Scheiben gekritzelt haben, hat die Polizei uns nichts getan. Aber hier ist ein gestohlenes, kaputtes Auto. Meinst du, sie werden das als Witz betrachten? Wir müssen es ausbrennen lassen. Es ist sowieso ein Totalschaden.«
Es gab kein stichhaltiges Argument dagegen. Alex ließ ohne Schwierigkeiten den Motor an, fuhr los und suchte nach einer Seitenstraße, auf der er wenden konnte. Erst Tage später fiel es Weird ein, ihn zu fragen: »Wo hast du denn fahren gelernt?«
»Letzten Sommer. Am Strand in Barra. Mein Cousin hat es mir beigebracht.«
»Und wie hast du den Allegro ohne Schlüssel angelassen?«
»Hast du das Auto nicht wiedererkannt?«
Weird schüttelte den Kopf.
»Es gehört ›Sammy‹ Seale.«
»Dem Werklehrer?«
»Genau.«
Weird grinste. Das Erste, was sie bei ihm im Werkunterricht gemacht hatten, war ein magnetisiertes Kästchen, das man mit einem Reserveschlüssel am Fahrgestell eines Autos befestigen konnte. »Das war aber Glück.«
»Ja, für dich, du Hohlkopf. Ziggy hat’s entdeckt.«
Wie anders das alles hätte sein können, überlegte Weird. Ohne Ziggy, der ihm zu Hilfe kam, wäre er in einer Zelle gelandet, wäre vorbestraft und sein Leben ruiniert gewesen. Statt ihn den Folgen seiner eigenen Dummheit zu überlassen, hatte Ziggy Mittel und Wege gefunden, ihn zu retten. Und dabei hatte er sich selbst aus dem Fenster gelehnt. Ein Auto anzuzünden war schon eine große Sache für einen im Grunde gesetzestreuen, ehrgeizigen Jungen. Aber Ziggy hatte nicht gezögert.
Weird musste jetzt also diesen Gefallen und noch viele andere erwidern. Er würde bei Ziggys Begräbnis sprechen und über Reue und Vergebung predigen. Es war zu spät, um Ziggy zu retten, aber mit Gottes Gnade konnte er vielleicht einer anderen umnachteten Seele helfen.
23
arten war eines der Dinge, die Graham Macfadyen am W besten konnte. Sein Adoptivvater war ein leidenschaftlicher Hobby-Ornithologe gewesen. In seiner Jugend zwang er ihn, in den Pausen zwischen dem Erscheinen der Vögel, die interessant genug waren, dass sich ein Heben des Fernglases lohnte, viel Zeit mit Warten totzuschlagen. Er hatte früh gelernt, sich ruhig zu verhalten, denn er tat alles, um dem scharfen, bösen Sarkasmus seines Vaters auszuweichen. Die Wunden, die ihm der Tadel einbrachte, waren genauso tief wie handfeste Schläge, und Macfadyen tat alles in seiner begrenzten Macht, um ihm zu entgehen. Er hatte schon früh gelernt, dass er mit Hilfe des Tricks, sich dem Wetter entsprechend anzuziehen, besser klarkam. So fühlte er sich in seinem Daunenparka, seiner wasserdichten fleecegefütterten Hose und seinen schweren Wanderstiefeln immer noch wohl, obwohl er den größten Teil des Tages dem Schneegestöber und dem kalten Nordwind standhalten musste. Er war sehr dankbar für den Jagdstock, den er mitgebracht hatte, denn sein Aussichtsposten bot keine Gelegenheit zum Sitzen außer den Grabsteinen. Und sich darauf zu setzen schien ihm ungehörig.
Er hatte sich freigenommen. Das hieß, dass er lügen musste, aber das ließ sich nicht ändern. Er wusste, dass er die Kollegen hängen ließ und dass durch sein Fehlen vielleicht ein drängender Termin verpasst wurde. Aber manche Dinge waren eben wichtiger als der Zahlungstermin, der im Vertrag stand. Und niemand würde jemanden, der so gewissenhaft wie er war, eines falschen Vorwands verdächtigen. Lügen war, genauso wie die Fähigkeit, sich anzupassen und ruhig zu verhalten, etwas, was er gut konnte. Er glaubte nicht, dass Lawson es auch nur im Mindesten bezweifelte, als er behauptet hatte, seine Adoptiveltern gern gehabt zu haben. Und weiß Gott, er hatte ja auch versucht, sie zu lieben. Aber ihre Gefühlskälte, die Zermürbung durch die Enttäuschungen und ihre ständige Missbilligung hatten seine Gefühle aufgerieben, und er war am Ende nur noch betäubt und einsam gewesen. Er war sicher, dass es bei seiner richtigen Mutter ganz anders gewesen wäre. Aber die Chance, das herauszufinden, war ihm genommen worden, und jetzt blieb ihm nichts als die Wunschvorstellung, irgendwie dafür zu sorgen, dass jemand dafür büßen musste. Dem Gespräch mit Lawson hatte er mit solch großer Hoffnung entgegengesehen.
Aber die Unfähigkeit der Polizei zog ihm geradezu den Boden unter den Füßen weg. Trotzdem hieß das nicht, dass
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