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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Englisch war schon in sich selbst ein Vorwurf. Bevor Lynn eine Warnung zum Grund ihres Anrufs anbringen konnte, war Hélène schon weg. Eine lange Minute verging, dann erklang die vertraute Stimme ihres Bruders an ihrem Ohr.
     
    »Lynn«, sagte er. »Wie geht’s?« Gerade so, als interessiere es ihn.
    »Mondo, ich habe leider eine schlechte Nachricht.«
    »Nicht die Eltern?«, warf er ein, bevor sie mehr sagen konnte.
    »Nein, es geht ihnen gut. Ich habe gestern Abend mit Mum gesprochen. Die Sache wird ein Schock für dich sein. Alex hat heute Nachmittag einen Anruf aus Seattle bekommen.« Lynn spürte, wie sich ihr bei dem Gedanken die Kehle zuschnürte.
    »Ziggy ist tot.« Schweigen. Sie wusste nicht, ob es die Stille des Schocks oder die Verlegenheit um eine passende Reaktion war. »Es tut mir leid«, sagte sie.
    »Ich wusste nicht, dass er krank war«, sagte Mondo endlich.
    »Er war nicht krank. Das Haus ist in der Nacht abgebrannt.
    Ziggy lag im Bett und schlief. Er ist im Feuer umgekommen.«
    »Das ist schrecklich. Mein Gott. Der arme Ziggy. Ich kann’s nicht glauben. Er war doch immer so vorsichtig.« Er machte ein merkwürdiges Geräusch, fast wie ein leises schnaubendes Lachen. »Wenn einer von uns in Flammen aufgehen würde, hätte man doch gewettet, dass es Weird sein würde. Er war immer bedroht von Unfällen. Aber Ziggy?«
    »Ich weiß, es ist nicht zu begreifen.«
    »Mein Gott. Der arme Ziggy.«
    »Ich weiß. Wir hatten so eine schöne Zeit mit ihm und Paul im September in Kalifornien. Es kommt einem unnatürlich vor.«
    »Und Paul? Ist er auch umgekommen?«
    »Nein. Er war über Nacht weg. Und er kam zurück, fand das abgebrannte Haus vor, und Ziggy war tot.«
    »Mein Gott. Das wird ihn suspekt machen.«
    »Ich bin sicher, dass das im Moment seine letzte Sorge ist«, sagte Lynn bissig.
    »Nein, du verstehst mich falsch. Ich meine, das würde für ihn alles noch viel schlimmer machen. Herrgott, Lynn, ich weiß, wie es ist, wenn dich alle anschauen, als seist du ein Mörder«, erinnerte sich Mondo.
    Eine kurze Stille trat ein, in der beide den gereizten Ton abzulegen versuchten. »Alex fliegt rüber zum Begräbnis«, sagte Lynn als Friedensangebot.
    »Ach, ich glaube, das werde ich nicht schaffen«, erwiderte Mondo schnell. »Wir fahren in zwei Tagen nach Frankreich.
    Wir haben Flüge gebucht und alles. Außerdem bin ich Ziggy ja in letzter Zeit nicht so nah gewesen wie du und Alex.«
    Lynn starrte ungläubig die Wand an. »Ihr vier wart doch wie Blutsbrüder. Wäre das nicht eine kleine Änderung deiner Reisepläne wert?«
    Ein langes Schweigen folgte. Dann sagte Mondo: »Ich will nicht zu der Beerdigung, Lynn. Das heißt nicht, dass ich mir nichts aus Ziggy mache. Aber ich hasse Begräbnisse einfach. Ich werde Paul natürlich schreiben. Was soll es bringen, dass ich um die halbe Welt fliege zu einer Beerdigung, die mich nur aufwühlen wird? Es würde Ziggy nicht wieder lebendig machen.«
    Plötzlich fühlte sich Lynn erschöpft und dankbar, dass sie Alex die Bürde dieses kränkenden Gesprächs erspart hatte. Das Schlimmste war, dass sie es immer noch schaffte, für ihren übersensiblen Bruder Mitgefühl aufzubringen. »Niemand von uns würde wollen, dass es dich aufwühlt«, seufzte sie. »Na ja, lassen wir das, Mondo.«
    »Moment, Lynn«, sagte er. »Ist Ziggy heute gestorben?«
    »In den frühen Morgenstunden, ja.«
    Ein scharfer, kurzer Atemzug folgte. »Das ist ziemlich unheimlich. Du weißt, dass heute vor fünfundzwanzig Jahren Rosie Duff starb?«
    »Wir hatten es nicht vergessen. Ich bin überrascht, dass du dran gedacht hast.«
     
    Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Meinst du, ich könnte den Tag vergessen, an dem mein Leben zerstört wurde? Er ist in mein Herz eingegraben.«
    »Ja, na ja, da wirst du dich wenigstens immer an Ziggys Todestag erinnern«, sagte Lynn, in der Gehässigkeit aufkam, als sie merkte, dass Mondo das Kaleidoskop wieder so drehte, dass es um ihn ging. Manchmal wünschte sie wirklich, man könnte Familienbande auflösen.
     
    Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, starrte Lawson das Telefon an. Er hasste Politiker. Er hatte sich die Tiraden des Parlamentsabgeordneten anhören müssen, der Phil Parhatkas neuen Hauptverdächtigen vertrat. Zehn Minuten hatte er sich über die Menschenrechte des Gangsters ausgelassen. Lawson hätte am liebsten geschrien: »Und wie steht’s mit den Menschenrechten des armen Kerls, den er umgebracht hat?«, aber er war viel zu

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