Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
vernünftig, um seinem Ärger auf diese Weise Luft zu machen. Stattdessen hatte er ihn beruhigt und sich vorgenommen, mit den Eltern des Toten zu sprechen, damit sie ihren Parlamentsabgeordneten daran erinnerten, sich für die Opfer und nicht die Täter einzusetzen. Trotzdem sollte er wohl Phil Parhatka warnen, damit er sich vorsah.
    Er warf einen Blick auf seine Uhr und war überrascht, wie spät es schon war. Da konnte er wohl auf dem Weg nach draußen noch einmal schnell im Einsatzraum für die ungelösten Fälle nachsehen, ob Phil etwa zufällig noch an seinem Schreibtisch saß.
    Aber Robin Maclennan war der Einzige, der zu so später Stunde noch da war. Mit gerunzelter Stirn saß er in eine Akte mit Zeugenaussagen vertieft. Im Lichtkegel seiner Schreib-tischlampe war die Ähnlichkeit mit seinem Bruder unheimlich.
    Lawson schauderte unwillkürlich. Es war, als sähe man einen Geist, aber einen, der seit seinem letzten Aufenthalt auf der Erde ein Dutzend Jahre gealtert war. Lawson räusperte sich, und Robin sah auf. Als seine eigenen typischen Bewegungen die Ähnlichkeit mit dem Bruder verdeckten, verflog die Illusion.
    »Hallo, Sir«, sagte er.
    »Sie sind noch spät bei der Arbeit«, erwiderte Lawson. Robin zuckte die Schultern. »Diane ist mit den Kindern ins Kino gegangen. Ich dachte, da kann ich statt in einer leeren Wohnung genauso gut hier sitzen.«
    »Ich weiß, was Sie meinen. Ich hab oft das gleiche Gefühl, seit Marian letztes Jahr gestorben ist.«
    »Ist Ihr Junge nicht zu Hause?«
    Lawson lachte. »Mein Junge ist jetzt zweiundzwanzig, Robin.
    Michael hat im Sommer sein Studium abgeschlossen. MA in BWL. Und jetzt arbeitet er als Motorradkurier in Sydney, Australien. Manchmal frage ich mich, wofür ich, verdammt noch mal, so hart gearbeitet habe. Haben Sie Lust auf ’n Bier?«
    Robin schien etwas überrascht. »Ja, okay«, sagte er, schlug die Akte zu und stand auf.
    Sie einigten sich auf einen kleinen Pub am Rand von Kirkcaldy, von wo beide danach nur eine kurze Fahrt nach Hause hatten. Es war voll, das laute Gemurmel der vielen Gespräche vermischte sich mit den Weihnachtshits, die zu dieser Jahreszeit unvermeidlich waren. Das Flaschenregal hinter der Bar war mit Lametta verziert, und ein protziger Weihnachts-baum aus Kunststoff lehnte schief am einen Ende der Bar.
    Während Wizzard aus dem Lautsprecher den Wunsch äußerte, dass doch jeden Tag Weihnachten sein sollte, holte Lawson zwei Bier und Whiskys zum Nachkippen, während Robin einen relativ ruhigen Tisch in der äußersten Ecke des Raums fand.
    Robin sah leicht überrascht auf die beiden Gläser vor sich.
    »Danke, Sir«, sagte er vorsichtig.
    »Vergessen Sie den Dienstgrad, Robin. Nur für heute Abend, ja?« Lawson nahm einen langen Schluck von seinem Bier.
     
    »Ehrlich gesagt, ich war froh, dass Sie noch dasaßen. Ich wollte heute Abend einen trinken gehen, aber nicht allein.« Er blickte Robin aufmerksam an. »Wissen Sie, was heute für ein Tag ist?«
    Auf Robins Gesicht erschien plötzlich Argwohn. »Der sechzehnte Dezember.«
    »Ich glaube, Sie können doch bestimmt besser raten.«
    Robin nahm den Whisky und kippte ihn mit einem Zug. »Es ist fünfundzwanzig Jahre her, seit Rosie Duff ermordet wurde.
    Soll ich das antworten?«
    »Ich dachte doch, dass Sie es wissen.« Keinem von beiden fiel etwas zu sagen ein, und sie tranken in unbehaglichem Schweigen ein paar Minuten weiter.
    »Wie kommt Karen voran?«, fragte Robin.
    »Ich dachte, Sie wüssten das besser als ich. Der Chef erfährt ja immer alles als Letzter, stimmt doch?«
    Robin setzte ein ironisches Lächeln auf. »In diesem Fall nicht.
    Karen ist in letzter Zeit fast nie im Büro gewesen. Sie scheint alle Zeit unten in der Asservatenkammer zu verbringen. Und wenn sie an ihrem Schreibtisch ist, bin ich der letzte Kollege, mit dem sie sich unterhält. Wie alle findet sie es peinlich, über Barneys großen Fehlschlag zu reden.« Er trank den letzten Schluck Bier und stand auf. »Das Gleiche noch mal?«
    Lawson nickte. Als Robin wiederkam, sagte er: »So sehen Sie es? Barneys großer Fehlschlag?«
    Robin schüttelte ungeduldig den Kopf. »Barney sah es so. Ich erinnere mich an Weihnachten. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Er hat sich zermartert, denn er gab sich selbst die Schuld für die Tatsache, dass es zu keiner Verhaftung gekommen war.
    Er war überzeugt, dass er etwas Offensichtliches, etwas Wichtiges übersehen hatte. Es nagte ständig an ihm.«
    »Ich erinnere mich, dass er

Weitere Kostenlose Bücher