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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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plötzlich fast zu überwältigen drohte.
    Alex ließ kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und besprengte damit sein Gesicht. Jetzt fühlte er sich etwas wacher und trottete zur Bar hinüber, deren Weihnachtsdekoration so schlecht zu seiner Trauer passte. Johnny Mathis sülzte im Hintergrund, und Alex hätte am liebsten die Lautsprecher zugehängt, damit sie leise klangen, so wie man einst bei Leichenzügen die Hufeisen der Pferde umwickelt hatte. Er fand Paul in einer Nische, wo er eine Flasche Pyramid-Bier trank. Er machte dem Barkellner ein Zeichen, noch einmal das Gleiche zu bringen, und setzte sich Paul gegenüber. Jetzt da er die Gelegenheit hatte, ihn richtig zu betrachten, sah er die Zeichen von Anspannung und Kummer. Pauls hellbraunes Haar war zerzaust und strähnig, seine blauen Augen waren müde und rot unterlaufen. Eine Stelle mit Bartstoppeln unter dem linken Ohr verriet die ganz untypische Nachlässigkeit eines Mannes, der sonst immer gepflegt und ordentlich war.
    »Ich habe Lynn angerufen«, sagte er. »Sie hat sich nach dir erkundigt.«
    »Sie ist ein lieber Kerl«, sagte Paul. »Ich habe das Gefühl, sie dieses Jahr viel besser kennen gelernt zu haben. Schwanger zu sein hat sie anscheinend offener gemacht.«
    »Ich weiß, was du meinst. Ich dachte, sie würde während der Schwangerschaft vor Angst wie gelähmt sein. Aber sie ist wirklich lockerer.« Alex’ Bier kam.
    Paul hob sein Glas. »Lass uns auf die Zukunft trinken«, sagte er. »Im Moment habe ich das Gefühl, sie hat nicht viel zu bieten, aber ich weiß, dass Ziggy mir den Kopf zurechtsetzen würde, wenn ich nur in der Vergangenheit leben würde.«
    »Auf die Zukunft«, wiederholte Alex. Er nahm einen Schluck Bier und sagte: »Kommst du klar?«
    Paul schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es hat mich noch gar nicht richtig erreicht. Es gibt so viel zu tun. Die Leute benachrichtigen, alles fürs Begräbnis in die Wege leiten und so weiter. Das erinnert mich. Euer Freund Tom, der, den Ziggy Weird nannte? Er kommt morgen.«
    Diese Nachricht rief bei Alex eine gemischte Reaktion hervor.
    Teils sehnte er sich nach der Verbindung zu seiner Vergangenheit, die Weird bringen würde. Aber er stellte auch das Unbehagen fest, das er immer noch in sich spürte, wenn er sich an die Nacht erinnerte, in der Rosie Duff starb. Und andererseits fürchtete er die Verschärfung der Situation, wenn Weird mit seinem fundamentalistischen Horror sich über Homosexuelle ausließ. »Er predigt doch nicht beim Begräbnis, oder?«, sagte er.
    »Nein. Wir werden eine freie Trauerfeier haben. Aber Ziggys Freunde werden die Gelegenheit haben, aufzustehen und über ihn zu sprechen. Wenn Tom dann etwas sagen möchte, kann er das gerne tun.«
    Alex stöhnte. »Du weißt ja, dass er ein fundamentalistischer Fanatiker ist, der Hölle und Verdammnis predigt?«
    Paul lächelte spöttisch. »Er sollte sich in Acht nehmen.
    Lynchjustiz gibt’s nicht nur im Süden.«
    »Ich werde vorher mit ihm reden.« Was so viel Wirkung haben würde, wie einen Zweig vor einem führerlosen Zug auf das Gleis zu werfen, dachte Alex.
    Sie tranken weiter ihr Bier und schwiegen ein paar Minuten.
    Dann räusperte sich Paul und sagte: »Ich muss dir etwas sagen, Alex. Über das Feuer.«
    Alex wusste nicht, was er meinte. »Das Feuer?«
    Paul rieb sich den Nasenrücken. »Der Brand war kein Unfall, Alex. Er wurde gelegt. Absichtlich.«
    »Sind sie sich da sicher?«
    Paul seufzte. »Seit es genug abgekühlt ist, lassen sie alles von Spezialisten für Brandstiftung untersuchen.«
    »Aber das ist ja furchtbar. Wer würde Ziggy so etwas antun?«
    »Alex, die Polizei tippt zuerst auf mich.«
    »Aber das ist doch verrückt. Du hast Ziggy doch geliebt.«
    »Und genau deshalb bin ich der Hauptverdächtige. Sie sehen sich immer zuerst den Lebenspartner an, stimmt’s?« Paul klang schroff.
    Alex schüttelte den Kopf. »Niemand, der euch beide kannte, würde sich auch nur eine Minute mit einem solchen Gedanken befassen.«
    »Aber die Ermittler kennen uns nicht. Und sosehr sie auch versuchen, das Gegenteil zu beweisen, die meisten Bullen mögen Schwule ungefähr so sehr wie euer Freund Tom.« Er nahm einen Schluck Bier, als wolle er das bittere Gefühl hinunterspülen. »Ich habe gestern den größten Teil des Tages auf der Polizeiwache zugebracht und Fragen beantwortet.«
    »Das versteh ich nicht. Du warst doch Hunderte von Meilen entfernt. Wie solltest du euer Haus abgebrannt haben, wenn du in Kalifornien

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