Echo Einer Winternacht
winzig, Alex. Und so leicht wie Luft.« Sie warf ihm einen ängstlichen Blick zu. »Sie wird es doch überstehen, oder?«
»Natürlich. Die Gilbeys geben nicht so schnell auf.« Sie hielten sich an den Händen und wünschten innig, dass er recht behalten würde.
Lynn sah ihn beunruhigt an. »Ich schäme mich so, Alex. Mein Bruder ist gestorben, aber ich kann nur daran denken, wie sehr ich Davina liebe und was für ein Schatz sie ist.«
»Ich weiß gut, was du meinst. Ich bin so glücklich, dann erinnert mich irgendwas daran, was mit Mondo geschehen ist, und ich stürze auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich weiß nicht, wie wir das überstehen sollen.«
Am Ende des Nachmittags hatte auch Alex seine Tochter in den Armen gehalten, hatte Dutzende Fotos gemacht und das Baby seinen Eltern vorgeführt. Adam und Sheila Kerr waren zu der Fahrt nicht in der Lage gewesen, und die Tatsache, dass sie nicht da waren, ließ Alex daran denken, dass er sich nicht ewig in seine Elternfreuden einspinnen konnte. Als die Schwester Lynn ihr Abendessen brachte, stand er auf. »Ich sollte nach Glasgow zurückfahren«, sagte er. »Ich muss mich darum kümmern, wie es Hélène geht.«
»Du brauchst diese Verantwortung nicht zu übernehmen«, wandte Lynn ein.
»Ich weiß. Aber sie hat doch uns angerufen«, erinnerte er sie.
»Ihre Familie ist weit weg. Vielleicht braucht sie Hilfe bei den Vorbereitungen für die Beerdigung. Außerdem schulde ich Mondo das. Ich war in den letzten Jahren kein sehr guter Freund und kann es nicht wieder gutmachen. Aber er war ein Teil meines Lebens.«
Lynn blickte mit einem traurigen Lächeln zu ihm auf, und Tränen schimmerten in ihren Augen. »Armer Mondo. Ich denke immer daran, wie viel Angst er am Ende gehabt haben muss.
Und zu sterben, ohne dass man Gelegenheit hat, seinen Frieden mit den Menschen zu machen, die man liebt … Und Hélène –
ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ihr gehen muss. Wenn ich bedenke, wie ich mich fühlen würde, wenn dir etwas passieren würde oder Davina …«
»Nichts wird mir passieren. Und Davina auch nicht«, sagte Alex. »Ich verspreche es dir.«
Er dachte jetzt an dieses Versprechen, als er zwischen Freude und Trauer hin und her schwankend die Meilen zurücklegte. Es war schwer, sich nicht überwältigen zu lassen von der Veränderung, die kürzlich in seinem Leben stattgefunden hatte.
Aber er konnte es sich nicht leisten, sich gehen zu lassen. Zu vieles hing jetzt von ihm ab.
Als er sich Glasgow näherte, rief er Hélène an. Der Anruf-beantworter verwies ihn auf ihr Handy. Fluchend fuhr er an den Straßenrand, hörte sich die Nachricht noch einmal an und notierte sich die Nummer. Sie antwortete beim zweiten Klingeln. »Alex? Wie geht es Lynn? Was ist geschehen?«
Er war überrascht. Er hatte Hélène immer so eingeschätzt, dass sie sich zu sehr auf ihre eigenen Belange konzentrierte, um sich auch um andere Menschen außer sich selbst und Mondo kümmern zu können. Er fand es erstaunlich, dass ihr die Sorge um Lynn und das Baby trotz ihrer Trauer so wichtig war, dass sie sie als Erstes erwähnte. »Wir haben eine Tochter.« Es waren die stolzesten Worte, die er je gesprochen hatte. Ein Kloß saß ihm im Hals. »Da sie zu früh gekommen ist, ist sie noch im Brutkasten. Aber es geht ihr gut. Und sie ist wunderbar.«
»Wie geht es Lynn?«
»Sie hat Schmerzen. In jeder Beziehung. Aber sie ist okay.
Und du? Wie geht’s dir?«
»Nicht gut. Aber ich komme klar, nehme ich an.«
»Hör zu, ich wollte zu dir kommen. Wo bist du?«
»Das Haus wird immer noch als Tatort behandelt, wie es scheint. Ich kann erst morgen wieder zurückkehren. Ich bin bei meiner Freundin Jackie. Sie wohnt in Merchant City. Willst du hierher kommen?«
Alex wollte der Frau, mit der Hélène Mondo betrogen hatte, eigentlich nicht begegnen. Er überlegte, ob er einen neutralen Treffpunkt vorschlagen könne, aber unter den Umständen schien das ziemlich herzlos. »Sag mir, wie ich fahren muss«, antwortete er.
Die Wohnung war leicht zu finden. Sie nahm die Hälfte des zweiten Stockwerks eines der umgebauten Lagerhäuser ein, die zum Abzeichen des Erfolgs für die Singles der Stadt geworden waren. Die Frau, die die Tür öffnete, hätte wohl Hélène kaum weniger ähneln können. Ihre Jeans war alt und ausgebleicht und hatte Risse an den Knien, ihr ärmelloses T-Shirt bescheinigte ihr, 100% Girrrl zu sein, und ließ Muskeln sehen, mit denen sie nach Alex’ Einschätzung ihr
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