Echo Einer Winternacht
Lawson offensichtlich Unbehagen.
»Ich lasse mich nicht auf Einschüchterungen ein, Mr. Gilbey.«
»Ich auch nicht. Jetzt nicht mehr. Wollen Sie wirklich in allen Zeitungen als der Polizist dastehen, der eine trauernde Familie belästigte, während sie ihren ermordeten Sohn zu Grabe trug?
Der gleiche Sohn, dessen Unschuld immer noch nicht erwiesen war – und zwar auf Grund Ihrer Unfähigkeit und der Ihrer Kommission?«
»Sie sollten nicht diese Haltung einnehmen«, sagte Lawson.
»Ach nein? Ich glaube, ich habe jedes Recht dazu. Sie sollten doch die Untersuchung eines ungelösten Falles wieder aufnehmen. Ich bin der wichtigste Zeuge, die Person, die die Leiche gefunden hat. Und trotzdem hat sich kein einziger Polizeibeamter von Fife bei mir gemeldet. Das sieht ja nicht gerade nach Pflichteifer aus, oder? Und jetzt habe ich herausgefunden, dass Sie nicht einmal einen Beutel mit Beweisstücken sicher aufbewahren können. Vielleicht sollte ich darüber mit dem Polizeibeamten sprechen, der an dem Fall arbeitet, nicht mit einem Bürokraten, dessen Horizont durch die Vergangenheit eingeschränkt ist?«
Lawsons Gesichtszüge wurden verkniffen. »Mr. Gilbey, es stimmt, dass es in diesem Fall ein Problem mit den Beweisstücken gibt. Irgendwann in den letzten fünfundzwanzig Jahren sind Rosie Duffs Kleider verloren gegangen. Wir versuchen immer noch, sie ausfindig zu machen, aber bis jetzt konnten wir nur die Strickjacke aufspüren, die in einiger Entfernung vom Tatort gefunden wurde. Und an ihr gab es keine beweiskräftigen biologischen Spuren. Keines der Kleidungsstücke, die nach der Untersuchung mit modernen gerichtsmedizinischen Methoden relevant sein könnten, liegt uns vor. Im Moment sind uns also die Hände gebunden. Die Beamtin, die den Fall bearbeitet, wollte tatsächlich mit Ihnen sprechen, nur um noch einmal Ihre ursprüngliche Aussage zu überprüfen. Vielleicht können wir bald einen Termin dafür machen?«
»Herrgott noch mal«, sagte Alex. »Jetzt wollen Sie mich endlich befragen? Sie begreifen wirklich nichts, oder? Wir hängen immer noch ungeschützt in der Luft. Ist Ihnen klar, dass zwei von uns vieren im letzten Monat ermordet worden sind?«
Lawson hob die Augenbrauen. »Zwei?«
»Ziggy Malkiewicz ist auch unter verdächtigen Umständen gestorben. Kurz vor Weihnachten.«
Lawson zog einen Notizblock heran und schraubte seinen Füller auf. »Das ist mir neu. Wo ist das passiert?«
»In Seattle, wo er seit zwölf Jahren wohnt. Ein Brandstifter hat in seinem Haus eine Feuerbombe gezündet. Ziggy ist im Schlaf gestorben. Sie können sich ja bei der Polizei dort erkundigen.
Der einzige Tatverdächtige, den sie haben, ist Ziggys Lebenspartner, und das, muss ich Ihnen sagen, halte ich für denkbar albern.«
»Es tut mir leid, das über Mr. Malkiewicz zu hören …«
»Dr. Malkiewicz«, unterbrach ihn Alex.
»Dr.
Malkiewicz«, korrigierte sich Lawson. »Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum Sie glauben, dass diese zwei Todesfälle etwas mit dem Mord an Rosie Duff zu tun haben.«
»Deshalb wollte ich heute mit Ihnen sprechen. Um Ihnen zu erklären, warum ich glaube, dass es einen Zusammenhang gibt.«
Lawson lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Ich höre, Mr. Gilbey. Alles, was auf diese besonders undurchsichtigen Dinge Licht werfen könnte, ist von Interesse für mich.«
Alex erklärte ihm die Sache mit den Kränzen. Hier im Herzen des Polizeipräsidiums hörte es sich in seinen eigenen Ohren nicht besonders überzeugend an. Er spürte, wie ihm Lawsons Skepsis von seinem Schreibtisch entgegenschlug, als er einer so nebensächlichen Sache Gewicht zu verleihen versuchte. »Ich weiß, es klingt wahnwitzig«, sagte er abschließend. »Aber Tom Mackie ist so überzeugt davon, dass er seine Familie verstecken und selbst untertauchen will. Zu so etwas entschließt man sich nicht so leicht.«
Lawson lächelte säuerlich. »Ah ja, Mr. Mackie. Vielleicht doch etwas zu viele Drogen in den siebziger Jahren? Ich glaube, Halluzinogene können auf lange Sicht zu Paranoia führen.«
»Glauben Sie nicht, dass wir es ernst nehmen sollten? Zwei unserer Freunde sterben unter verdächtigen Umständen. Zwei unbescholtene Männer ohne Verbindung zur Unterwelt. Zwei Männer, die offensichtlich keine Feinde hatten. Und bei beiden Begräbnissen taucht ein Kranz auf, der direkt auf die Untersuchung eines Mordfalls hinweist, in der beide als Verdächtige betrachtet
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