Echo Einer Winternacht
unserem Ermessen wegen eines anderen Mordes einsitzen.«
Es klopfte an die Tür, und Lawson rief: »Herein.« Die Frau, die eintrat, war das totale Gegenteil von Jackie. Die Journalistin war elegant und geschmeidig, Karen Pirie dagegen kräftig und unscheinbar. Was sie aber gemeinsam hatten, war der offensichtliche Funke von Intelligenz, den jede an der anderen wahrnahm. Lawson machte sie bekannt und lotste sie dann geschickt zur Tür. »Viel Glück für Ihren Artikel«, sagte er, als er die Tür fest hinter ihnen schloss.
Karen ging voran, eine Treppe hinauf zu dem Büro, wo man sich der ungelösten Fälle annahm. »Sie kommen aus Glasgow?«, sagte sie, während sie hinaufgingen.
»Dort geboren und aufgewachsen. Eine klasse Stadt. Da gibt es alles, was das menschliche Leben bietet, sagt man.«
»Praktisch für eine Journalistin. Wodurch hat dieser Fall Ihr Interesse erregt?«
Jackie gab rasch wieder ihre Tarngeschichte zum Besten, die Karen zu überzeugen schien. Sie stieß die Tür zur Einsatzzentrale auf und führte sie hinein. Jackie sah sich um und bemerkte die Anschlagtafeln, an denen Fotos, Karten und Rundschreiben hingen. Zwei Leute saßen hinter Computern und hoben den Blick, als sie hereinkamen, kehrten dann aber zu ihrer Arbeit zurück. »Übrigens ist es natürlich selbstverständlich, dass alles, was Sie in diesem Raum hören und sehen und was mit den laufenden Ermittlungen oder irgendeinem anderen Fall zu tun hat, vertraulich behandelt werden muss. Ist Ihnen das klar?«
»Ich bin keine Reporterin, die über Verbrechen berichtet. Ich bin nur an den Dingen interessiert, über die wir hier sprechen wollten. Also, Sie brauchen keine faulen Tricks zu befürchten, okay?«
Karen lächelte. Sie hatte in ihrer Zeit als Polizistin einige Journalisten getroffen, denen sie zugetraut hätte, einem kleinen Kind sein Eis zu klauen. Aber diese Frau schien anders zu sein.
Was immer sie suchte, sie hatte jedenfalls nicht vor, eine krumme Tour abzuziehen und danach wegzulaufen. Karen zeigte Jackie einen langen Zeichentisch an der einen Wand, auf dem sie das Material der ursprünglichen Ermittlung ausgelegt hatten. »Ich weiß nicht, wie weit Sie ins Detail gehen Swollen«, sagte sie mit einem skeptischen Blick auf die vielen Aktenordner, die vor ihr standen.
»Ich muss ein Gefühl dafür bekommen, wie die Ermittlungen geführt worden sind. Welche Richtungen man verfolgt hat. Und natürlich« – Jackie sagte das mit einem Ausdruck leicht ironischer Selbstkritik, ein Versatzstück aus ihrer Trickkiste –
»da es hier um Journalismus und nicht um Geschichtsschreibung geht, brauche ich die Namen aller beteiligten Personen und das Hintergrundwissen über sie. Polizeibeamte, Pathologen, Gerichtsmediziner. Dies alles.« Sie war aalglatt, Wasser wäre wie Regen am Gefieder einer Ente von ihr abgelaufen.
»Sicher, ich kann Ihnen Namen geben. Mit dem Hintergrundwissen sieht es ein bisschen mager aus. Ich war erst drei Jahre alt, als dieser Fall in einer Sackgasse stecken blieb.
Und der damalige Leiter der Ermittlungen, Barney Maclennan, ist während der Arbeit an diesem Fall gestorben. Sie wussten das, nicht wahr?« Jackie nickte. Karen fuhr fort: »Der einzige Beteiligte, den ich überhaupt persönlich kennen gelernt habe, ist David Soanes von der Gerichtsmedizin. Er hat die Arbeit gemacht, obwohl tatsächlich sein Chef den Bericht unterschrieb.«
»Wie kam das?«, fragte Jackie beiläufig und versuchte, ihre freudige Erregung, dass sie so leicht und schnell alles erfuhr, was sie wissen wollte, zu verbergen.
»Das läuft normalerweise so. Die Person, die den Bericht tatsächlich unterschreibt, ist immer der Laborleiter, obwohl er die Beweisstücke vielleicht nie zu Gesicht bekommen hat.
Macht mehr Eindruck bei den Geschworenen.«
»Da sieht man mal wieder, was Gutachten von Experten wert sind«, sagte Jackie sarkastisch.
»Man tut eben, was nötig ist, um die bösen Buben einsperren zu können«, sagte Karen. Ihr lässiger Tonfall ließ erkennen, dass sie sich wegen eines so selbstverständlichen Sachverhalts nicht in die Defensive begeben wollte. »Jedenfalls, in diesem Fall hätten wir es gar nicht besser erwischen können. David Soanes ist einer der gewissenhaftesten Menschen, die ich je getroffen habe.« Sie lächelte. »Und dieser Tage ist er derjenige, der die Berichte anderer Leute unterschreibt. David ist Professor der Gerichtsmedizin an der Universität Dundee. Von dort bekommen wir alle unsere
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