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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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jetzt in Fife arbeitete. Dabei würde sie mit einem Kriminalbeamten zu tun haben, der über die Einzelheiten des Falls bestens Bescheid wusste. Sie betonte, dass es nicht darum ging, die Polizei zu kritisieren. Es sollten lediglich die Ver-
    änderungen des Verfahrens und der praktischen Durchführung auf Grund der wissenschaftlichen Entwicklung und der geänderten gesetzlichen Vorschriften gezeigt werden. Der Pressebeauftragte hatte sie am nächsten Tag zurückgerufen. »Sie haben Glück. Wir haben einen Fall, der fast genau fünfundzwanzig Jahre alt ist. Und zufällig war unser Assistant Chief Constable der erste Polizist am Tatort. Und er hat zugestimmt, Ihnen darüber ein Interview zu geben. Ich habe auch veranlasst, dass Sie Detective Constable Karen Pirie treffen, die an der Wiederaufnahme des Falls arbeitet. Sie hat alle Einzelheiten parat.«
    Hier war sie also – bereit, in die Festung der Polizei von Fife einzudringen. Normalerweise war Jackie vor Interviews nicht nervös, da sie lange genug im Geschäft war und so etwas sie nicht mehr erschreckte. Mit allen Arten von Leuten hatte sie schon zu tun gehabt, mit Schüchternen, Unverfrorenen, Aufgeregten, Ängstlichen, mit solchen, die sich selbst in den Vordergrund stellen wollten, mit Blasierten, mit abgehärteten Kriminellen und unerfahrenen Opfern. Aber heute spürte sie tatsächlich den Adrenalinschub im Blut. Sie hatte nicht gelogen, als sie Alex gesagt hatte, es stünde hier auch für sie etwas auf dem Spiel. Nach ihrem Gespräch hatte sie noch stundenlang wach gelegen und war sich sehr deutlich dessen bewusst, welchen Schaden ein Verdacht gegen sie wegen David Kerrs Tod ihrem Leben zufügen konnte. Sie war also heute gut vorbereitet, hatte sich konservativ gekleidet und versuchte, betont harmlos auszusehen. Ausnahmsweise waren einmal weniger Ringe in ihren Ohren als Löcher.
     
    Man konnte sich beim Anblick von ACC Lawson den jungen Polizisten von damals nur schwer vorstellen, dachte sie, als sie ihm gegenübersaß. Er sah wie einer jener Menschen aus, die schon mit der Sorgenlast der ganzen Welt auf den Schultern geboren wurden, und heute schien sie ihn besonders zu drücken.
    Er konnte nicht viel älter als fünfzig sein, aber er glich eher einem, der auf dem Golfplatz zu Hause war, als einem Ermittler der Kripo in Fife. »Komische Idee, die Sie da für Ihren Artikel haben«, sagte er, als sie sich vorgestellt und begrüßt hatten.

»Eigentlich nicht. Die Leute nehmen bei polizeilichen Ermittlungen so vieles als selbstverständlich hin. Es ist gut, sie daran zu erinnern, wie weit wir in einer relativ kurzen Zeitspanne gekommen sind. Ich werde natürlich viel mehr erfahren müssen, als ich jemals in meinem Artikel verwenden kann. Man wirft immer neunzig Prozent der Recherchen weg.«
    »Und für wen ist der Artikel?«, fragte er im Plauderton.
    » Vanity Fair « , sagte Jackie entschieden. Es war immer besser, bei Angaben zu den Aufträgen zu lügen. Es gab den Leuten das beruhigende Gefühl, dass man nicht ihre Zeit verschwendete.
    »Also, ich stehe Ihnen zur Verfügung«, sagte er mit gespielter Heiterkeit und ausgebreiteten Armen.
    »Ich danke Ihnen, denn ich kann mir denken, dass Sie sehr beschäftigt sind. Also, können wir auf die Dezembernacht des Jahres 1978 zurückkommen? Wie kam es, dass Sie mit dem Fall zu tun hatten?«
    Lawson atmete tief durch die Nase ein. »Ich hatte Nachtdienst und fuhr Streife. Das hieß, die ganze Nacht auf den Straßen draußen zu sein, außer in den Pausen. Ich fuhr aber nicht die ganze Nacht umher, verstehen Sie.« Ein Mundwinkel hob sich zu einem halben Lächeln. »Wir waren selbst damals schon in unserem Budget eingeschränkt. In einer Schicht sollte ich nicht mehr als vierzig Meilen zurücklegen. Also fuhr ich im Stadtzentrum herum, wenn die Pubs schlossen, und suchte mir dann einen ruhigen Ort zum Parken, bis ich zu einem Einsatz gerufen wurde. Was nicht oft vorkam. St. Andrews war eine ziemlich ruhige Stadt, besonders in den Semesterferien.«
    »Muss ja einigermaßen langweilig gewesen sein«, sagte sie mitfühlend.
    »Aber ehrlich. Ich nahm oft das Transistorradio mit, aber es gab nie viel, was sich zu hören lohnte. An den meisten Abenden stand ich am Eingang zum Botanischen Garten. Dort gefiel es mir. Es war schön ruhig, aber man konnte innerhalb von ein paar Minuten überall in der Stadt sein. In dieser Nacht war das Wetter scheußlich. Es hatte mit einigen Unterbrechungen den ganzen Tag geschneit, und

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