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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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war so, dachte er mit Bedauern. In diesem Semester hatten die Dinge sich geändert. Weird war oft mit seiner Jesustruppe unterwegs. Und nur der liebe Gott wusste, wo sich Mondo die halbe Zeit herumtrieb. Die Duffs waren nicht die Einzigen, die mit schmerzlichen Gefühlen einen Preis für Rosies Tod zahlten, wurde ihm plötzlich klar.
    »Sie würden also füreinander lügen, wenn Sie dächten, Sie müssten das tun?«
    Alex hielt den Löffel auf halbem Weg zum Mund an. Darum ging es also. Er schob den Teller weg, stand auf und nahm seine Jacke. »Danke für die Suppe«, sagte er. »Es geht jetzt wieder.«
     
    Ziggy fühlte sich selten einsam. Als Einzelkind war er daran gewöhnt, allein zu sein, und war nie um einen Zeitvertreib verlegen. Seine Mutter hatte andere Eltern immer verwundert angesehen, wenn sie sich über ihre Kinder beklagten, die sich in den Schulferien langweilten. Langeweile war nie ein Problem gewesen, mit dem sie sich befassen musste. Aber heute Abend war die Einsamkeit in das kleine Haus in Fife Park gekrochen.
    Ziggy hatte genug Arbeit, die ihn hätte beschäftigen können, aber diesmal sehnte er sich ausnahmsweise nach Gesellschaft.
    Weird war mit seiner Gitarre unterwegs und lernte, den Herrn in drei Akkorden zu preisen. Alex war nach einer Schlägerei mit den Rechten und einem Treffen mit diesem Bullen Lawson, das sehr danebengegangen war, in miesester Laune nach Hause gekommen. Er hatte sich umgezogen und war zu einem Diavortrag über venezianische Maler gegangen. Und Mondo war irgendwo draußen, wahrscheinlich beim Bumsen.
    Das war eigentlich eine gute Idee. Das letzte Mal, dass er Sex gehabt hatte, war eine ganze Weile vor der Nacht gewesen, als sie Rosie Duff fanden. Er war für einen Abend nach Edinburgh gefahren und in den einzigen schwulenfreundlichen Pub gegangen, den er je besucht hatte. Er hatte mit seinem Bier an der Bar gestanden und verstohlene Blicke nach allen Seiten geworfen, sich aber vor direktem Augenkontakt gehütet. Nach einer halben Stunde oder so hatte sich ein Mann, der auf die dreißig zuging, zu ihm gesellt. Jeans, Hemd und Jeansjacke, gut aussehend, ein etwas rauer Bursche. Er fing eine Unterhaltung an, und sie hatten schließlich schnellen, aber befriedigenden Sex an der Toilettenwand gehabt. Alles war längst vor dem letzten Zug nach Hause vorbei.
    Ziggy sehnte sich nach etwas, das weniger anonym war als die Treffen mit Fremden, die seine einzige sexuelle Erfahrung waren. Er wollte das, was seine heterosexuellen Freunde mit Leichtigkeit zu finden schienen. Er wünschte sich eine romantische Beziehung, in der man um den anderen warb. Er wollte jemanden, mit dem ihn eine tiefere Intimität verband als nur der Austausch von Körperflüssigkeiten. Er wollte einen Freund, einen Lover, einen Partner. Und er hatte keine Ahnung, wie er einen finden konnte.
    Es gab eine Schwulengruppe an der Uni, das hatte er gehört.
    Aber soweit er wusste, bestand sie aus einem halben Dutzend Typen, die ihre Sonderrolle als Homosexuelle fast zu genießen schienen. Der politische Aspekt der Gay Liberation interessierte Ziggy schon, aber nach dem, wie er diese Typen sich auf dem Campus in Pose hatte werfen sehen, waren sie nicht ernsthaft politisch engagiert. Sie fielen nur gern auf. Ziggy schämte sich nicht dafür, dass er schwul war, aber er wollte nicht, dass es das Einzige war, was die Leute über ihn wussten. Außerdem wollte er Arzt werden und hatte den starken Verdacht, dass eine Karriere als Aktivist der Schwulenbewegung ihm nicht helfen würde, diesen Plan zu verwirklichen. Deshalb war eine beiläufige Begegnung jetzt die einzige Möglichkeit, seinen Gefühlen Luft zu machen. Soweit er wusste, gab es in St.
    Andrews keine Pubs, wo er das finden würde, was er suchte.
    Aber es gab zwei Stellen, wo sich Männer aufhielten, die zu anonymem Sex mit Unbekannten bereit waren.
    Nur waren beide Orte leider im Freien, und bei diesem Wetter würden nicht viele den Elementen trotzen. Aber schließlich konnte er nicht der einzige Typ in St. Andrews sein, der heute Abend Sex haben wollte.
    Ziggy zog seine Schaffelljacke über, schnürte seine Stiefel und ging in die eiskalte Nacht hinaus. Nach einem raschen Fußmarsch von fünfzehn Minuten war er an der Rückseite der halb zer-fallenen Kathedrale. Er überquerte The Scores und ging auf die Ruinen der Kirche St. Mary’s zu. Im Schatten der bröckelnden Mauern standen oft Männer herum, die so taten, als machten sie einen abendlichen

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