Echo Einer Winternacht
werden, zusammenbrechen, und wenn er über seine Chancen nachgrübelte, mit dem Kopf gegen den Stein schlagen. Sie würden ihn doch wohl nicht hier lassen, bis er starb? Brian Duff vielleicht schon, aber er glaubte nicht, dass seine Freunde dieses Risiko eingehen würden. Ziggy drehte sich mit dem Rücken zur Wand und ließ sich langsam heruntergleiten, bis er auf dem kalten Boden saß. Der ganze Körper schmerzte. Er glaubte nicht, dass etwas gebrochen war, aber er wusste jetzt, dass nicht nur Knochenbrüche Schmerzen verursachten, gegen die man eigentlich starke Schmerzmittel brauchte.
Er wusste, er konnte es sich nicht leisten, untätig hier sitzen zu bleiben. Sein Körper würde steif werden, und seine Gelenke würden sich verkrampfen, wenn er sich nicht ständig bewegte.
Wenn er den Kreislauf nicht in Gang hielt, würde er bei diesen Temperaturen an Unterkühlung sterben, und diese Genugtuung wollte er den barbarischen Dreckskerlen nicht gönnen.
Er musste die Hände freibekommen. Stöhnend vor Schmerzen von seinen angeschlagenen Rippen beugte Ziggy den Kopf so tief wie möglich nach vorn. Wenn er seine Hände so hochhob, wie der Strick es erlaubte, konnte er mit den Zähnen gerade das zusammengeknotete Ende erreichen. Während er vor Schmerz und Selbstmitleid lautlose Tränen vergoss, die an seiner Nase heruntertropften, begann Ziggy den entscheidenden Kampf seines Lebens.
16
lex war überrascht, alles verlassen vorzufinden, als er nach Hause kam
A
. Ziggy hatte nichts davon gesagt, dass er ausgehen würde, und Alex hatte angenommen, dass er arbeiten wollte. Vielleicht war er bei einem seiner Mediziner-Kommilitonen. Oder vielleicht war Mondo heimgekommen, und sie waren etwas trinken gegangen. Er machte sich keine Sorgen.
Nur weil ihn Cavendish und seine Bande belästigt hatten, gab es keinen Grund zu glauben, dass Ziggy etwas Schlimmes passiert war.
Alex machte sich eine Tasse Kaffee und ein paar Scheiben Toast und setzte sich mit seinen Notizen zu dem Vortrag an den Küchentisch. Er hatte immer Mühe gehabt, die venezianischen Maler klar auseinander zu halten, aber der Diavortrag von heute Abend hatte bestimmte Aspekte so deutlich herausgestellt, dass er sie auf jeden Fall festhalten wollte. Er kritzelte gerade Anmerkungen an den Rand, als Weird voll Enthusiasmus hereingestürmt kam. »Wow, war das ein Abend«, schwärmte er.
»Lloyd hat eine absolut mitreißende Bibelstunde über die Briefe an die Epheser gehalten. Es ist eindrucksvoll, was er alles aus einem Text herausholen kann.«
»Schön, dass du so viel Spaß hattest«, sagte Alex geistesabwesend. Seit Weird sich mit den Christen zusammengetan hatte, waren seine Auftritte ebenso voraussehbar wie dramatisch. Alex hatte schon lange aufgehört, auf sie einzugehen.
»Wo ist Zig? Arbeitet er?«
»Er ist weg. Ich weiß nicht, wo. Wenn du Wasser aufsetzt, nehme ich noch einen Kaffee.«
Das Wasser kochte gerade, als sie die Haustür aufgehen hörten. Zu ihrer Überraschung war es Mondo, der hereinkam, nicht Ziggy. »Sieht man dich auch mal wieder«, sagte Alex.
»Hat sie dich rausgeworfen?«
»Sie hat eine Krise, weil sie ’nen Essay schreiben muss«, sagte Mondo, nahm sich eine Tasse und schüttete Kaffeepulver hinein. »Wenn ich dableibe, lässt sie mich mit ihrem Gejammer darüber nicht schlafen. Da hab ich gedacht, ich würde euch mit meiner Gegenwart beglücken. Wo ist Ziggy?«
»Ich weiß nicht. Soll ich meines Bruders Hüter sein?«
»Erstes Buch Mose, Kapitel vier, Vers neun«, sagte Weird selbstgefällig.
»Herrgott noch mal, Weird«, sagte Mondo. »Bist du immer noch nicht drüber weg?«
»Über Jesus kommt man nie hinweg, Mondo. Aber ich erwarte nicht, dass ein so oberflächlicher Mensch wie du das begreift.
Du betest falsche Götter an.«
Mondo grinste. »Vielleicht, aber sie ist toll im Bett.«
Alex stöhnte. »Ich kann mir das nicht länger anhören. Ich geh schlafen.« Er überließ sie ihren Streitereien und genoss die Ruhe, die ihm ein eigenes Zimmer jetzt wieder bot. Niemand war als Ersatz für Cavendish und Greenhalgh geschickt worden, also war er in Cavendishs Zimmer gezogen. Auf der Schwelle blieb er stehen und sah kurz in das Musikzimmer. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal zusammen gespielt hatten. Vor diesem Semester hatte es kaum einen Tag gegeben, an dem sie nicht eine halbe Stunde oder mehr improvisiert hätten. Aber das war genau wie ihre freundschaftliche Verbundenheit schon
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