Echo gluecklicher Tage - Roman
meine Eltern, meinen Bruder und meine kleine Schwester genommen. Ich habe gelernt, nur mir selbst zu vertrauen.«
An jenem Abend saß Beth in ihrem Zimmer. Unten war der Saloon voller Menschen, weil es nur noch wenige Lokale gab, in denen die Leute trinken konnten, und ihre lauten Stimmen und ihr Lachen drangen zu ihr herauf. John hatte gesagt, er wolle nicht, dass sie heute Abend spiele, und auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, war klar, dass er sie im Saloon nicht mehr haben wollte.
Sie konnte das sogar lustig finden, denn weder die Tänzerinnen in seinem Theater noch seine Saloon-Mädchen waren so rein wie Schnee. Spielen, Trinken – das war alles gottlos, also warum hatte er sie als Quelle des Bösen ausgemacht? Sie wünschte, dass Jack da wäre, denn er konnte über einen guten Witz immer lachen.
Natürlich hätte sie zu einem der anderen Saloons in Dawson gehen können, und man hätte sie und ihre Geige dort mit offenen Armen empfangen. Aber das Feuer und jetzt Johns merkwürdiges Verhalten hatten ihr Dawson City verleidet.
Außerdem würde es noch einen Monat dauern, bis das Eis brach und sie einen Dampfer zurück nehmen konnte.
Sie tastete unter ihrem Bett nach ihrer Reisetasche, um ihre Ersparnisse zu zählen. Als sie die Tasche öffnete, fiel ihr Blick auf das Foto, das sie kurz nach ihrer Ankunft in Skagway hatten machen lassen. Es war weniger als zwei Jahre her, aber es kam ihr viel länger vor. Sie sahen alle vier so jung und frisch aus, und die auf Leinwand aufgemalten Berge im Hintergrund, die sie damals für wunderschön gehalten hatten, wirkten jetzt so unrealistisch. Die Männer hatten sich Gewehre geliehen, die sie auf der Schulter trugen – für Sam und Jack waren es die ersten Waffen gewesen, die sie jemals in der Hand gehalten hatten. Beth trug einen Strohhut, eine hochgeschlossene blaue Bluse und einen schmalen Reifrock. Damals war sie so dumm gewesen zu glauben, dass diese Kleidung, mit einem Mantel darüber, sich gut für die Wanderung über den Pass eignen würde.
Sie lächelte und fuhr mit einem Finger über Sams ernstes Gesicht. Er hatte sich kurz nach dieser Aufnahme einen Bart wachsen lassen, damit er härter aussah, aber es hatte nicht funktioniert; er sah immer noch jung aus, und seine Augen strahlten. Theo in seiner bestickten Weste und dem gut sitzenden Jackett sah aus wie das, was er war: ein aristokratischer Spieler.
Jack lächelte als Einziger, fast als habe er damals schon gewusst, was in den Bergen auf sie wartete. Er hatte schießen gelernt, genauso wie er sich bemüht hatte, alles über den Weg über den Pass in Erfahrung zu bringen und zu lernen, wie man Hütten und Flöße baute. Wie merkwürdig, dass er niemals dem Goldfieber verfallen, aber dennoch jetzt der Einzige war, der es tatsächlich bis zu den Goldfeldern geschafft hatte.
Sie brauchte das Bild nur anzusehen, und tausend kleine Dinge fielen ihr wieder ein. Die schreckliche Nacht, die sie eingepfercht in dem Hotel im Sheep Camp verbracht hatten, und die, in denen sie oben auf dem Chilkoot Pass fast erfroren waren. So viele Leute in Dawson waren bei dieser schrecklichen Tortur dabei gewesen, doch sie waren alle stolz darauf, es überstanden zu haben, so als sei es eine Auszeichnung.
Beth dachte lieber an die guten Dinge zurück – wie sie auf dem Schlitten ins Happy Camp gefahren waren und an die tollen Abende, die sie am Lake Lindemann und am Lake Bennett verbracht hatten. Jetzt war Sam tot und Theo fort. Nur sie und Jack waren noch übrig.
Sie dachte wieder an den zweiten Tag auf dem Einwandererschiff nach New York und lächelte bei der Erinnerung an ihr erstes Gespräch. Wer hätte gedacht, dass der dünne Straßenjunge einmal ihr bester Freund werden würde?
Auf einmal wusste sie, was sie tun wollte. Morgen würde sie jemanden bitten, sie raus zum Bonanza Creek zu bringen, zu den Goldfeldern und zu Jack.
34
Die fünf Hunde, die den Schlitten ziehen sollten, konnten es kaum noch abwarten, endlich loszufahren, und bellten und scharrten ungeduldig über das schneebedeckte Eis des Flusses.
»Sitzt du bequem?«, erkundigte sich Cal Burgess bei Beth, während er das Bärenfell noch enger um sie stopfte.
Beth nickte. Mit ihrem Wolfspelzhut, dem Mantel aus Waschbärenfell und mehreren Lagen Kleidung darunter fühlte sie sich sehr behaglich.
Auf Cals Signal hin sprangen die Hunde nach vorn, und Beths Kopf wurde auf beängstigende Weise vor und zurück geschleudert. Aber als die Hunde ihren Rhythmus
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