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Echo gluecklicher Tage - Roman

Echo gluecklicher Tage - Roman

Titel: Echo gluecklicher Tage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Kathleen hätte runterkommen und es ihr leise sagen sollen, damit die Herrschaften nicht aufwachten, aber es war zu spät – beide Schlafzimmertüren öffneten sich gleichzeitig. Mr Edward trug sein langes Nachthemd, und die Herrin hatte sich einen Schal eng um die Schultern gelegt.
    »Ist es mein Vater?«, fragte Mr Edward.
    Mrs Bruce nickte und ging in das Zimmer des alten Mannes. Kathleen hatte die Petroleumlampe auf den Kaminsims gestellt, sodass es genug Licht gab, um genau das zu sehen, was sie gesehen hatte. Er lag merkwürdig da, sein Kopf direkt am Rand der Matratze, als habe er versucht aufzustehen.
    Mrs Bruce ging zu ihm und stellte fest, dass er tatsächlich tot war. Sie hob ihn zurück auf das Kissen und schloss ihm Augen und Mund. »Dann ist er verstorben?«, fragte Mr Edward vom Türrahmen aus. Seine Frau stand neben ihm, als hätten sie beide Angst, hereinzukommen.
    »Ich fürchte ja«, sagte Mrs Bruce und richtete das Bettlaken. »Es tut mir so leid. Aber Sie beide sollten wieder ins Bett gehen, sonst holen Sie sich noch den Tod. Ich schicke Kathleen mit einer Nachricht zum Doktor.«
    Als Beth um neun Uhr mit Molly ins Haus kam, saßen Mrs Bruce, die Köchin und Kathleen mit gramerfüllten Gesichtern in der Küche.
    Mrs Bruce erklärte ihr, was passiert war, und sagte, dass der Arzt gerade oben bei den Langworthys sei und den Totenschein für den alten Mann ausstelle. »Eigentlich ist es am besten so«, seufzte sie. »Er hatte kein richtiges Leben mehr, und die Herrin muss dann nicht mehr so schwer arbeiten. Aber es ist trotzdem traurig, dass er jetzt nicht mehr da ist.«
    »Seine Augen haben mich an die von ’nem Fisch erinnert, nein, wirklich«, platzte Kathleen heraus. »Und als ich seine Hand angefasst habe, war sie kalt wie Eis.«
    »Das reicht jetzt, Kathleen«, erklärte Mrs Bruce streng. »Ich weiß, dass es ein Schock für dich war, ihn zu finden, aber wir müssen ihm alle Respekt zollen und die Herrschaften unterstützen.«
    Beths Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte Angst vor dem alten Mann gehabt, als sie zum ersten Mal an seinem Bett sitzen musste. Sein Gesicht war verzerrt, weil er halbseitig gelähmt war, und er war so dünn, dass er fast wie ein Skelett wirkte. Wenn er zu sprechen versuchte, machte er merkwürdige Mundbewegungen, und die Geräusche, die er machte, waren unverständlich und beängstigend. Aber sie hatte sich daran gewöhnt, und nachdem sie ihm ein paar Mal vorgelesen hatte, fing sie an zu verstehen, was er ihr zu sagen versuchte. Er konnte Freude mit den Augen ausdrücken, Verärgerung mit einem Winken seiner funktionierenden Hand, und manchmal konnte sie richtige Laute aus dem Grunzen heraushören, und wenn sie sie wiederholte, nickte er.
    Sie spürte seine Freude, wenn sie zu ihm kam, wusste, dass er die Geschichten genoss, und je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto mehr empfand sie für ihn. In ihrer Vorstellung musste es das Schlimmste auf der Welt sein, bei vollem Bewusstsein in einem Körper gefangen zu sein, den man nicht kontrollieren konnte, die Erniedrigung zu ertragen, gefüttert und gewickelt zu werden wie ein Baby, und niemandem mitteilen zu können, dass man wusste, was um einen herum passierte.
    »Weine nicht, Beth«, sagte Mrs Bruce und hob Molly auf, die ihre große Schwester ängstlich ansah. »Er ist jetzt an einem besseren Ort, sein Leiden ist vorbei, und dort kann er wieder mit seiner Frau zusammen sein.«
    Ein Sargtuch der Trauer legte sich über das Haus, das jeden Tag schwerer zu werden schien, während die Herrschaften die Beerdigung organisierten.
    Beth war die Atmosphäre nur allzu vertraut, und zusätzlich zu den verstörenden Erinnerungen an den Tod und die Beerdigung ihrer Eltern war da die nagende Sorge, was jetzt aus ihr werden würde. Ohne die Wäsche des alten Mannes gab es für sie nicht viel zu tun. Mrs Bruce, die Köchin und Kathleen konnten das Haus auch ohne sie wie ein Uhrwerk führen. Würde Mr Edward jemandem Lohn zahlen, den er nicht länger brauchte?
    Beths siebzehnter Geburtstag und Sams achtzehnter Geburtstag kamen und gingen innerhalb einer Woche, ohne dass sie einen davon feierten. Beth war damit beschäftigt, der Köchin dabei zu helfen, die Torten und das Gebäck für die Beerdigung vorzubereiten, und einige wenige Änderungen an den Trauerkleidern vorzunehmen, die ihre Herrin getragen hatte, als ihre Schwiegermutter gestorben war.
    Am Morgen der Beerdigung wachte Beth auf, als es noch dunkel war, aber

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