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Echo gluecklicher Tage - Roman

Echo gluecklicher Tage - Roman

Titel: Echo gluecklicher Tage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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draußen gab die Lampe am Ende der Stallungen genug Licht, um ihr zu zeigen, dass es während der Nacht geschneit hatte. Sie setzte sich für ein oder zwei Minuten im Bett auf und blickte aus dem Fenster. Draußen sah alles wunderschön aus, denn der Dreck, der Müll und die Hässlichkeit lagen versteckt unter einer Decke aus reinem, glitzerndem Weiß. Es erinnerte sie an den Schnee vor einem guten Jahr, als Molly geboren wurde. Beth erinnerte sich daran, mit dem Baby auf dem Arm am Küchenfenster gestanden und sich darüber gewundert zu haben, dass die Gasse hinter dem Haus und die Dächer plötzlich wie verzaubert aussahen.
    Nur ein paar Tage später war ihre Mutter gestorben, und der Regen hatte den Schnee weggewaschen. Sie hatte aus demselben Fenster geblickt und gesehen, dass alles wieder grau, trostlos und hässlich geworden war. Es war ihr damals bedeutungsvoll vorgekommen, wie eine Warnung vielleicht, dass Glück und Schönheit sehr vergänglich sein konnten.
    So viel war seitdem passiert. So viel Verzweiflung, Verletzung und Sorge, dann schließlich der Verlust ihres Zuhauses durch das Feuer. Doch durch das Feuer waren sie hierhergekommen und hatten wieder ein gewisses Maß an Sicherheit und Glück gefunden.
    Sam und sie hatten gezwungenermaßen schnell erwachsen werden müssen, aber das vielleicht Wichtigste war, dass Beth gelernt hatte, sich auf nichts zu verlassen. Nicht darauf, dass die Freundlichkeit der Langworthys anhalten würde, nicht darauf, dass sie diesen Job und diese Wohnung so lange behalten durfte, wie sie beides brauchte. Sie konnte sich nicht einmal darauf verlassen, dass Sam für immer bei ihr bleiben würde.
    Nur auf sich selbst konnte sie sich wirklich verlassen. Aber das war ein einsamer, kalter Gedanke.
    Es wurde nicht erwartet, dass Sam zur Beerdigung kam, weil er den alten Mann nur einmal an Weihnachten gesehen hatte, als er ihn ins Esszimmer trug. Er musste zur Arbeit, deshalb legte sich Beth einen Schal um die Schultern und schlich ins Wohnzimmer, um die Petroleumlampe anzuzünden, das Feuer im Ofen zu schüren und Wasser aufzusetzen.
    Sam lag zusammengerollt auf dem schmalen Bett und sah so friedlich und sorglos aus. Es war ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass der Tod des alten Mr Langworthy ihnen neue Sorgen bereiten konnte, und sie zögerte, ihre Ängste auszusprechen, weil er so glücklich wirkte, seit er im Adelphi arbeitete.
    »Es wird Zeit aufzustehen, Sam«, sagte sie leise und rüttelte an seinem Arm.
    Er öffnete die Augen und gähnte. »Jetzt schon! Es fühlt sich an, als hätte ich erst ein oder zwei Stunden geschlafen.«
    »Es ist sechs Uhr, und es hat geschneit«, entgegnete Beth und war überrascht, wie gut er inzwischen aussah. Sein Gesicht war voller geworden, er hatte sich einen kleinen Schnurrbart stehen lassen, und seine langen Wimpern lenkten die Aufmerksamkeit auf seine wundervollen blauen Augen. Sie spürte einen kleinen Stich im Herzen, weil er über kurz oder lang eine Freundin finden würde und sie dann an die zweite Stelle rückte.
    Er lächelte, sprang aus dem Bett und rannte wie ein Kind zum Fenster. Weil er nur seine Wollunterwäsche trug, sah er ein bisschen lächerlich aus. »Ich liebe Schnee.« Er drehte sich grinsend zu ihr um. »In Teilen von Amerika kommt der Schnee schon im November und bleibt bis zum Frühling liegen.«
    »Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen«, sagte Beth neckend und kniete sich hin, um den Aschekasten unter dem Herd hervorzuziehen. Das stimmte nicht – sie liebte Schnee genauso sehr wie er, und eine ihrer schönsten Kindheitserinnerungen war das Rodeln mit ihm –, aber sie war seine ewigen Anspielungen auf Amerika leid. »Das Wasser im Kessel müsste jetzt warm genug sein, dass du dich waschen und rasieren kannst. Dein sauberes Hemd hängt an der Schlafzimmertür.«
    »Du wirst langsam eine alte Jungfer«, sagte er vorwurfsvoll.
    Beth, Kathleen und die Köchin konnten in St. Brides nur noch ganz hinten stehen, denn sie waren die Letzten in der Prozession der Trauernden gewesen, die den sechs Kutschen mit den Familienmitgliedern auf dem Weg zur Kirche gefolgt waren, und jetzt waren alle Reihen besetzt. Mit dem dicken Schnee als Hintergrund für die schwarzen, federgeschmückten Pferde und den Sarg mit den hoch aufgetürmten Blumen war es ein beeindruckendes Bild gewesen. Beth hatte erwartet, dass der Schnee viele Leute abhalten würde zu kommen, aber es sah aus, als wäre halb Liverpool anwesend.
    Als das

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