Echo gluecklicher Tage - Roman
Gesichtsverlust.
»Geh wieder hinter die Bar, und behalt das für dich«, befahl er ihm.
Sam hätte den Mann gerne geschlagen, weil er so gefühllos war. Er wollte, dass er sich auf die Bühne stellte und verkündete, dass Beth vermisst wurde, und alle fragte, ob sie irgendetwas gehört oder gesehen hätten. Aber die Vernunft siegte, denn obwohl er wusste, dass die meisten Männer im Saloon gerne bereit gewesen wären, nach ihr zu suchen, war New York eine große Stadt. Sie konnte überall festgehalten werden, und Massen von Männern, die wütend herumliefen, würden nur für noch mehr Ärger sorgen.
Es war die längste Nacht, die Sam jemals erlebt hatte. Er musste sich Heaneys Ankündigung anhören, dass Beth heute Abend nicht spielen konnte, sah die Enttäuschung auf den Gesichtern der Männer und musste unzählige Male die Frage beantworten, ob sie krank sei.
Um Mitternacht schickte Heaney ihn nach Hause. »Sie werden erst morgen etwas unternehmen«, sagte er und klopfte Sam auf die Schulter, was bei ihm einer kleinen Geste des Mitgefühls am nächsten kam. »Ich habe so was schon mal mitgemacht, Junge. Sie lassen uns schwitzen, bevor sie ihre Karten aufdecken.«
Die Sache ließ Sam tatsächlich schwitzen. Während er dalag und auf Beths leeres Bett starrte, verfluchte er sich dafür, dass er Jacks Warnung nicht ernst genommen hatte. Es war pure Arroganz von ihm gewesen; er wollte einfach nicht anerkennen, dass ein Mann, dem er sich überlegen fühlte, tatsächlich mehr wusste als er. Ihm hatte Jacks Freundschaft mit Beth nie gefallen, doch er hatte so getan als ob, weil Jack sich dadurch um sie gekümmert hatte und er selbst mehr Zeit mit seinen Frauen verbringen konnte.
Bis heute Abend war Sam stolz auf seine vielen Eroberungen gewesen. Es gab ihm ein Gefühl von Stärke, dass er fast jede Frau ins Bett bekam, wenn er es wollte. Doch jetzt, während er an Polly, Maggie, Nora und seine letzte Eroberung Annie dachte, schämte er sich. Sie waren alle entweder Schauspielerinnen oder Tänzerinnen, Mädchen, die bereits von jemandem ruiniert worden waren, leichte Opfer, da sie verletzlich waren und sich verzweifelt nach Liebe sehnten. In Wahrheit wusste er, dass jede von ihnen wahrscheinlich bald zur Hure werden würde. Er konnte sich nicht erklären, wie er so scheinheilig hatte sein können, was Jack anging, denn selbst wenn er etwas ungehobelt war, hatte er Beth immer Respekt und echte Zuneigung entgegengebracht.
Theo dagegen war viel gefährlicher. Er war nicht nur attraktiv und gebildet, sondern auch aalglatt und berechnend. Sam hatte ihn mehrere Male Poker spielen sehen und war beeindruckt gewesen von seiner Kaltschnäuzigkeit und seiner Raffinesse. Bei seinem letzten Spiel im Heaney’s hatte er über fünfhundert Dollar gewonnen, doch er hatte so getan, als wäre das gar nichts. Jeder Bruder, der etwas taugte, hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um seine Schwester davon abzuhalten, sich mit so einem Mann einzulassen, aber Sam hatte ihn nicht nur offen bewundert, sondern der Beziehung auch noch seinen Segen gegeben.
Bei dem Gedanken, dass Beth den gleichen Weg gehen könnte wie ihre Mutter, wurde ihm übel. Er erinnerte sich daran, dass er seiner Mutter gegenüber kein Mitleid gezeigt hatte, und er schämte sich jetzt dafür, dass er damals ihr neugeborenes Baby im Stich lassen wollte. Es war Beth gewesen, die alles zusammengehalten hatte. Ohne ihren Einfallsreichtum und ihre Persönlichkeit wären sie niemals eingeladen worden, am Falkner Square zu wohnen, und es war zweifelhaft, ob sie es jemals bis nach Amerika geschafft hätten.
Er wünschte sich jetzt, dass sie niemals hierhergekommen wären, während er sich vorzustellen versuchte, wo Beth sein konnte und unter welchen Umständen sie festgehalten wurde. Er wusste, dass es kein gemütlicher und warmer Ort sein würde; Männer wie Fingers lebten wie Tiere. Aber noch beängstigender war die Möglichkeit, dass er Beth vielleicht nicht wiedersehen würde. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Heaney ein Lösegeld für sie bezahlen würde. Er würde das als Schwäche sehen. Und Fingers würde sie ohne Bezahlung niemals gehen lassen; er würde sie lieber töten, als sein Gesicht zu verlieren.
Um vier Uhr morgens, als es noch immer stockdunkel war, verließ Sam das Haus, um Jack zu suchen. Er wusste nicht, wo er wohnte, aber er wusste, dass er im Schlachthaus am East River arbeitete und ganz früh morgens anfing.
Es war bitterkalt, und auf
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