Echo gluecklicher Tage - Roman
dem Schnee der vergangenen Tage lag eine dicke Frostschicht. Er ging schnell, um sich aufzuwärmen, aber er war ganz schwach vor Sorge und Schlafmangel.
Beth hatte auch nicht schlafen können. Ihr war so kalt, dass sie befürchtete zu erfrieren. In den ersten drei oder vier Stunden, nachdem man sie ohne Umschweife in diesen dunklen Keller geworfen hatte, war sie auf und ab gelaufen und hatte gerufen, aber irgendwann hatte die Erschöpfung sie gezwungen, sich auf das zu setzen, was sich wie eine alte Kiste anfühlte.
Der Boden war voller Wasser, und es war in ihre Schuhe gedrungen, und die Luft roch faulig. Ob es ein Leck in der Leitung gab, ob hier unten irgendetwas Totes verrottete oder ob das Gebäude einfach uralt war, wusste sie nicht, aber sie würde nicht im Dunkeln herumtasten, um es herauszufinden.
Sie wusste nur, dass sie in einer der Gassen am Mulberry Bend war, in derselben Gegend, in die Sam und sie sich an ihrem ersten Abend in Amerika aus Versehen verirrt hatten. Sie hatte sich gemerkt, wohin der Mann, der sie mit dem Messer bedroht hatte, mit ihr gegangen war, weil sie hoffte, dass er irgendwann abgelenkt sein würde und sie fliehen konnte. Doch sie hatte keine Gelegenheit dazu gehabt, denn seine Hand blieb auf ihrer Schulter liegen, und er hielt ihr das Messer die ganze Zeit über in die Seite.
Beth hatte den Mann noch nie zuvor gesehen. Er war groß und kräftig mit einem groben, entstellten Gesicht, das darauf hindeutete, dass er vielleicht ein Preisboxer gewesen war. Seine Hände waren riesig, wie Schinken, und die wenigen Zähne, die er noch besaß, waren schwarz und abgebrochen. Für den Mulberry Bend war er gut gekleidet: Er trug einen dicken, dunklen Wollmantel mit einem Samtkragen und einen Homburg-Hut, aber sein Geruch – nach Schimmel, Tabak und Holzrauch – kennzeichnete ihn als Slumbewohner.
Sie wusste, dass ihn irgendjemand beauftragt hatte, sie zu entführen, denn wenn er sie hätte ausrauben wollen, dann hätte er sich genommen, was sie besaß, und wäre gegangen. Und er handelte ganz sicher auf Fingers’ Befehl, weil sie um Gnade gefleht und ihm gesagt hatte, dass sie gerne in seinem Saloon spielen würde, da sie Heaney nicht verpflichtet sei. Der Mann bestätigte ihren Verdacht, weil er bei der Erwähnung von Fingers’ Namen überrascht aussah und ihr dann sagte, sie solle den Mund halten. Sie hielt den Mund nicht, sondern flehte weiter, aber dann schlug er sie ins Gesicht.
Mit den Fingern tastete sie vorsichtig über ihre geschwollene Wange. Seine Ohrfeige war wie ein Hammerschlag gewesen. Sie hatte sie so hart getroffen, dass sie kaum noch etwas sehen konnte. Dann hatte der Mann sie grob am Arm gepackt und sie den Rest des Weges fast hinter sich hergeschleift.
Ihnen waren Dutzende von Leuten begegnet. In der schmalen, stinkenden Gasse, durch die sie schließlich gegangen waren, standen Männer, die sie alle neugierig angestarrt hatten. Traurigerweise wusste Beth, dass das nicht bedeutete, dass Rettung nahte, denn Fingers hätte nicht befohlen, sie so offen hierherzubringen, wenn er sich der Loyalität der Bewohner nicht sicher gewesen wäre.
Sie hatte keine Ahnung, wie spät es jetzt war, aber sie hatte das Gefühl, dass es immer noch Nacht war, denn von nirgendwoher drang Licht herein. Der Gedanke an Ratten machte ihr eine Gänsehaut, und sie legte die Arme dichter um sich und versuchte, nicht daran zu denken. Stattdessen überlegte sie, wie lange es dauern würde, bis Sam merkte, was passiert war.
Er würde natürlich wissen, dass etwas nicht stimmte, wenn sie nicht zu ihrem Auftritt erschien. Aber wie sollte er sie finden? Es würde eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen sein.
17
Als Jack um sechs Uhr am Schlachthaus ankam und Sam dort auf ihn warten sah, wich ihm die Farbe aus dem Gesicht, noch bevor Sam ihm erzählt hatte, was passiert war.
»Na los, sag es schon«, rief Sam unglücklich. »Ich hätte auf deine Warnung hören sollen.«
Jacks Augen funkelten gefährlich, aber er gab sich Mühe, sich im Zaum zu halten. »Ich schätze, du hättest nicht die ganze Zeit auf sie aufpassen können.« Er seufzte. »Niemand hätte das gekonnt, und wer hätte gedacht, dass er sie beim Verlassen von Iras Laden entführen lässt?«
»Was kann ich tun, Jack?«, fragte Sam verzweifelt. »Ich glaube nicht, dass Heaney seine Leute losschickt, um nach ihr zu suchen. Er wird ihnen nur befehlen, Fingers’ Laden kaputt zu schlagen, und dann fängt der Krieg richtig an.«
Jack
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