Echo gluecklicher Tage - Roman
Mutter.
Noch mehr Schnee fiel, und die weihnachtlich geschmückten New Yorker Geschäfte sahen wunderschön aus. Viele der eleganteren hatten neue elektrische Lichter installiert, und wenn es auf den Straßen dunkel wurde, erstrahlten die fantastisch dekorierten Fenster in Licht und Farbe. Selbst in den kleinsten Läden oder Ständen hingen Dekorationen oder zusätzliche Petroleumlampen, es gab riesige Weihnachtsbäume auf vielen Plätzen, und in der Luft lag der Duft von in Öfen gerösteten Kastanien.
Beth kaufte Geschenke – einen königsblauen Schal für Sam, duftende Seife für Amy und Kate, eine Flasche Lavendelwasser für Ira – und hoffte, dass das hübsche rote Kleid und die Stoffpuppe, die sie Molly geschickt hatte, rechtzeitig zu Weihnachten ankommen würden. Sie wollte auch ein Geschenk für Theo kaufen, beschloss jedoch, noch abzuwarten, ob er wieder auftauchte.
Als sie zwei Tage vor Heiligabend immer noch nichts gehört hatte, war Beth sehr bedrückt. Im Laden war den ganzen Tag über viel zu tun, und der ständige »Frohe Weihnachten«-Ruf, wenn Leute das Geschäft verließen, machte es noch schlimmer, weil sie wusste, dass sie niemand Besonderen hatte, mit dem sie diesen Tag verbringen konnte.
Ira musste bemerkt haben, dass etwas mit ihr nicht stimmte. »Liebes, du solltest mit Jack tanzen gehen«, schlug sie plötzlich vor. »Du willst doch nicht auf einen Mann warten, der dir nicht mal einen Brief schreiben kann, wenn er nicht da ist, in dem er dir versichert, dass er an dich denkt.«
Beth war über Iras Bemerkung gar nicht erfreut. Sie schmollte eine Weile, aber am Nachmittag beruhigte sie sich und probierte ein hübsches, tiefrosafarbenes Kleid an, von dem Ira behauptet hatte, es würde perfekt zu ihr passen.
Ira hatte recht, und als Beth fragte, ob sie es kaufen könne, erklärte ihr die alte Dame, dass sie es ihr gerne zu Weihnachten schenken wolle.
»Du bist ein gutes Mädchen – ich weiß nicht, wie ich das alles geschafft habe, bevor du kamst«, sagte Ira mit beinahe feuchten Augen. »Dir ein Kleid zu schenken, das dir so gut steht, ist das Mindeste, was ich tun kann, um dir zu danken.«
»Dann werde ich auch nicht länger herumsitzen und auf Theo warten«, erwiderte Beth. »Ich werde die Einladung der Rossinis annehmen und Weihnachten mit Sam bei ihnen essen. Und falls Jack heute Abend im Heaney’s ist, werde ich ihm gegenüber vielleicht andeuten, dass ich gerne tanzen gehen würde.«
Als sie um fünf Uhr Iras Laden verließ, war es bitterkalt. Sie klemmte sich das Paket mit ihrem neuen Kleid unter den Arm, wickelte sich den Schal um den Hals, vergrub die behandschuhten Hände in dem Pelzmuff, den Ira ihr ebenfalls geschenkt hatte, und machte sich auf den Weg zum Markt, um ein paar Früchte, Nüsse und Süßigkeiten für das Essen mit den Rossinis zu kaufen.
Es lag eine neue Fröhlichkeit auf den Gesichtern der Leute, als Beth die Bowery hinunterging. Ein Orgelspieler hatte seine Orgel, die »Stille Nacht« spielte, mit glitzernden Sternen geschmückt, und ihr fiel eine Gruppe von Kindern auf, die staunend beobachteten, wie ein Mann an einem Stand ein paar Spielzeuge aufzog. Sie blieb stehen, um sich den Bären anzusehen, der Becken zusammenschlug, und einen Mann, der ein Boot ruderte. Sie dachte kurz darüber nach, den Bären zu kaufen und Molly zu schicken, beschloss jedoch, dass er in der Post vermutlich kaputtgehen würde.
Als sie um die Ecke bog, war es nach den hellen Lichtern der Bowery mit einem Mal sehr dunkel. Sie merkte, dass jemand hinter ihr ging, doch das war nichts Ungewöhnliches, denn es war früher Abend.
Als sich jedoch eine Hand auf ihre Schulter legte, ließ sie vor Schreck das Paket fallen.
»Keinen Mucks«, warnte sie eine raue männliche Stimme. »Das ist ein Messer an deinem Rücken.«
Sie erstarrte, denn sie konnte spüren, wie etwas gegen ihren Mantel gedrückt wurde. Ihr erster Gedanke war, dass der Mann sie ausrauben wollte, denn das kam in dieser Gegend öfter vor.
»Ich habe nur ein paar Dollar«, sagte sie. »Aber die können Sie haben.«
»Du bist für mich mehr wert als ein paar Dollar«, sagte er. »Und jetzt beweg dich, tu, was ich dir sage, und alles ist gut. Schrei, und ich stech dich mit dem Messer ab.«
16
»Wo ist deine Schwester?«, wollte Pat Heaney von Sam wissen. Er holte seine Uhr aus seiner Westentasche und sah darauf. »Was denkt sie sich? Es ist fast halb acht!«
Der Saloon war brechend voll, und Sam war in der letzten
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