Echo: Roman (German Edition)
ganz zu schweigen davon, was sein Inhalt gewesen war. »Wenn ich ehrlich bin«, sagte Cassavetes, eine sehr gepflegte Erscheinung um die hundertsechzig, die grinsend andeutete, ihr Interesse an Tuttle habe sich auf das Schlafzimmer beschränkt, »erinnere ich mich nicht, je in seinem Büro gewesen zu sein.«
Niemand konnte eine Aussage zu der mutmaßlichen Herkunft der Tafel machen. »Ja«, sagte Bryce, ein großer, schlaksiger Mann, dessen Arme und Beine zu lang für seinen Körper waren und der dazu neigte, jeden Satz so zu formulieren, als erwartete er, dass wir uns Notizen machten, »sie ähneln vage dem Spätkorbanischen. Keine Frage. Aber sehen Sie sich einmal diese Symbole hier an ...«
Audree meldete sich an dem Tag bei uns, an dem wir mit Bryce gesprochen hatten. Als sie mitten im Besprechungsraum auftauchte, wussten wir augenblicklich, dass sie keine guten Nachrichten für uns hatte. »Leute« , sagte sie, »ich schätze, ihr liegt richtig, wenn ihr euren Informanten nicht glaubt. In der Umgebung der Trafalgarbrücke ist nirgends eine Spur von der Tafel zu finden.«
»Ist es möglich, dass du sie übersehen hast?«
»Klar, möglich ist das. Es hat einen ziemlich schlimmen Sturm gegeben, kurz bevor wir mit der Suche begonnen haben. Der könnte den Schlamm ein bisschen aufgewühlt haben. Außerdem liegen da unten eine Menge Steine herum. Trotzdem würde ich meinen Kopf darauf verwetten ...«
»Dass die Tafel nicht dort ist.«
»Genau. Willst du, dass ich die Suche fortsetze? Das kann ich tun, aber das müssen wir dir dann berechnen.«
»Nein, lass nur!«
»Tut mir leid. Ruf an, falls du deine Meinung änderst!«
Als ihr Bild erlosch, knurrte Alex etwas über Idioten, die irgendwelche Dinge in Flüssen versenkten, und bat Jacob, ihm die Stammbäume von Ara und Doug Bannister zu zeigen.
»Was soll das denn bringen?«, fragte ich.
»Erinnerst du dich noch, wer die Tafel ursprünglich haben wollte?«
»Dougs Tante.«
»Möglich. Ara hat ›unsere Tante‹ gesagt. Sehen wir doch mal nach, wessen Tante das sein könnte.«
Es gab zwei Tanten auf Dougs Seite und drei auf Aras. Jacob suchte Daten zu allen fünf Frauen. Eine war mit einem Archäologen verheiratet. Aber das Spezialgebiet dieses Mannes waren die frühen Rimway-Siedler. Eine Verbindung zu unserem Anliegen schien eher unwahrscheinlich zu sein. Zu drei weiteren gab es nichts von Bedeutung. Aber was die fünfte Dame anging, war das anders.
Ihr Name war Rachel Bannister. Sie war interstellare Pilotin im Ruhestand. Und es hatte einmal eine Verbindung zwischen ihr und Sunset Tuttle gegeben.
»Welche Art Verbindung?«, fragte Alex.
»Suche läuft noch.«
Alex sah zufrieden aus. »Langsam glaube ich, die haben uns angelogen.«
»Sie haben die Tafel nicht in den Fluss geworfen?«
»Genau. Was hast du sonst noch für uns, Jacob?«
»Hobbys: Gärtnern und Rimrod.« Rimrod war ein Kartenspiel, das zur Jahrhundertwende recht beliebt geworden war. »Sie ist so was wie eine Amateurmusikerin. Und sie ist Mitglied der Trent-Stiftung.«
»Eine Freiwillige?«
»Ja. Diesen Daten zufolge unterrichtet sie mehrere Stunden in der Woche Mädchen, die Probleme in der Schule haben. Sie hat, um genau zu sein, mit einer ganzen Anzahl an Wohltätigkeitsorganisationen in Andiquar zusammengearbeitet.«
»Macht sie das schon lange?«
»Ungefähr dreißig Jahre.«
»Hört sich nach jemandem an, der gern und viel Gutes tut«, kommentierte ich.
»Sie hat vier Jahre lang für World’s End Tours gearbeitet, bis sie im Frühjahr 1403 in den Ruhestand gegangen ist. Und hier haben wir die Verbindung zu Tuttle.«
»Sag’s nicht!«, sagte Alex. »Sie war mal seine Freundin.«
»Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Alex.«
»Das könnte immerhin erklären«, sinnierte ich, »warum sie die Tafel haben wollte.«
»Aus Sentimentalität?«
»Ja.«
Er schaute mich zweifelnd an. »Chase, der Bursche ist schon über ein Vierteljahrhundert tot.«
»Das macht nichts, Alex. Wenn sich die Leute erst mal verliebt haben, neigen sie dazu, dauerhaft dabeizubleiben.«
»Fünfundzwanzig Jahre, nachdem er in eine bessere Welt hinübergegangen ist?«
Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. »Du bist ein hoffnungsloser Romantiker, weißt du das?«
»Na, da bin ich anderer Meinung«, sagte er.
Das war mir durchaus klar. »Aber«, fügte ich hinzu, »es erklärt nicht, warum Rachel die Tafel loswerden wollte.«
»Nein.« Alex schüttelte den Kopf. »Weil sie sie gar
Weitere Kostenlose Bücher