Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
da, genau wie ich es mir dachte: Power Plate kann alles! Muskelstraffung, nie mehr Rückenschmerzen, Hautbildverfeinerung, natürlich nie mehr Cellulite und so weiter. Eigentlich alles, was man sich wünscht. In nur 15 Minuten. Ach, und natürlich fühlt man sich super nach dem Training. Das muss ich probieren.
Neulich habe ich mich also für ein Probetraining eingetragen. Endlich ist es so weit.
In meiner Vorstellung stelle ich mich für 20 Sekunden auf das Teil, es rüttelt ein wenig, und schon habe ich glatte Oberschenkel. Dann setze ich mich noch drauf, und mein Arsch sieht wieder aus wie mit sechzehn.
Doch weit gefehlt. Die Beinübungen sind die Hölle, alles muss ich zweimal machen. Wenn ich bei einer Übung nur ein Bein hebe, dann muss ich die Übung viermal wiederholen. Und ich wusste gar nicht, wie lang 30 Sekunden sein können. Nach einer halben Stunde sitze ich erschöpft auf dem Gerät und sehe, dass die Trainerin mit mir spricht. Jedenfalls bewegt sie ihre Lippen. Verstehen tue ich nichts mehr. Ich bin sooo kaputt.
»Hm, ja, danke. Tschüs.« Schnell weg und nach Hause auf die Couch. Was für ein Höllentraining. Wikipedia verrät mir: Das Muskeltraining wurde ursprünglich von einem russischen Sportwissenschaftler entwickelt und im Weltraumprogramm der Sowjets angewandt, um die Muskeln der Astronauten im Weltraum zu erhalten. Spacetraining. In der Schwerelosigkeit sind die Übungen bestimmt nicht so schwer. In der Down-on-earth -Welt komme ich kaum die Treppen runter.
Bringt das eigentlich wirklich was? Oder ist das alles Humbug? Die von Power Plate können mir ja viel erzählen. Wenn ich Werbung machen würde – ich würde bei jedem Produkt dazuschreiben, dass es das Hautbild verbessert und die Cellulite vernichtet.
Ich mach dir noch ’ne Schwester
Seit letzter Nacht bin ich von Power Plate restlos überzeugt. Schon den ganzen Abend nach dem Training fühlte ich mich gerader als vorher. Als sei meine Wirbelsäule das erste Mal im Leben an der richtigen Stelle. Morgens beim Aufwachen denke ich: Nanu? Was ist denn das? Ich bin ja viel größer als sonst! Meine Füße hängen aus dem Bett. Das tun sie sonst nie. Über Nacht gewachsen, nach einem Mal Power-Plate-Training!
In der Schule dann schönste Frauenpower.
»Frau Freitag, wir müssen unbedingt mit Ihnen über Hamid sprechen!«
Meine Mädchen stehen immer in geballter Gesamtheit im Treppenhaus, wenn ich aus dem Unterricht komme. Mit »So, jetzt reicht’s!«-Energie warten sie dann alle empört auf meine Reaktion. Ich bin jedes Mal aufs Neue gerührt, dass sie sich mit ihrer Empörung an mich wenden.
»Okay, Mädels, also, wir haben ja gleich zusammen Unterricht. Da besprechen wir das.«
Nach der Pause sitzen wir mit der Erzieherin im Freizeitbereich. Ich komme etwas später, weil ich mir gleich zu Beginn der Stunde Hamid geschnappt und ihn zu einer schriftlichen Stellungnahme verdonnert habe.
Chanel ist schon mittendrin: »Und dann hat es mir gereicht. Frau Freitag, Sie kennen mich. Ich bin nicht so, dass ich gleich ausraste«, sie guckt zu mir. Ich nicke. Chanel ist wirklich die Ruhe selbst. Immer. Wenn sie mal da ist.
Zufrieden fährt sie fort: »Tut mir leid, aber Sie haben wirklich nicht genug gemacht mit Hamid.« Das stimmt leider. Wir haben immer pädagogisch auf ihn eingequatscht, dann Mutti einbestellt, dann Muttiheft, dann wieder Mutti. Aber anscheinend hat er sich mit unserem Eingelulle ganz gut arrangiert und mit kurzen Erholungspausen dann doch wieder die anderen genervt und geärgert. Von seinen ständigen Unterrichtsstörungen mal ganz abgesehen.
Chanel berichtet weiter: »Und ich habe ihn dann neulich gesagt: Hamid. Du redest noch einmal so mit mir, dann passiert was. Er meinte: Wen holst du? Ich habe gesagt: Ich hole niemand. Ich regel das selber. Und gestern hat er wieder so geredet, da bin ich ausgerastet. Okay, ich habe ihn auch Ausdrücke gesagt, das gebe ich zu, aber ich konnte einfach nicht mehr. Was denkt er, wer er ist? Haben seine Eltern ihn nicht erzogen? Er muss doch Respekt haben. Vor uns. Vor uns Mädchen, wir sind doch in einer Klasse. Wir sind doch die Mädchen der Klasse. Wir sind doch wie eine Familie. Ist doch, wie wenn wir hier wohnen.«
Sie guckt zu den anderen Mädchen. Die nicken verständnisvoll.
Rosa schaut zu mir: »Wir sehen die Klasse doch mehr als unsere Eltern.«
Ich nicke auch. Da hat sie wahrscheinlich sogar recht.
»Also, Chanel, was sagt Hamid denn zu euch?«, frage ich und
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