Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
würden, wenn sie mehr miteinander zu tun hätten.
Dann geht es darum, ob Hamid mit auf die Klassenfahrt kommen soll oder nicht. Die meisten Schüler sprechen sich dafür aus und begründen ihre Meinung auch sehr gut: »Ich sag mal, wenn er mitkommt, dann kann er doch alle viel besser kennenlernen. Dann verändert sich sein Verhalten bestimmt.«
Hamid muss nach vorne kommen und zu sich selbst Stellung nehmen: »Meinst du denn, dass du dein Verhalten ändern kannst? Willst du das überhaupt?«
Er will und meint, er könne sich verbessern. Schlechter geht es ja auch kaum.
Die Erzieherin und ich sind noch misstrauisch. Am Ende beschließen wir, dass es am Mittwoch in der Mittagspause eine geheime Abstimmung geben wird, ob Hamid mitfahren darf oder nicht. Bis dahin ist er auf Bewährung. Nur noch zwei Tage. Man darf gespannt sein.
Günther ist müde
Günther. Günther fehlt. Günther fehlt oft. Gerne mal die ersten Stunden. Wenn er dann so gegen 10 Uhr in den Unterricht schleicht, und ich ihn frage, warum er so spät kommt, dann guckt er mich verwirrt an: »Verschlafen!« Logisch – verschlafen. Herr Günther braucht seinen Schlaf. Manchmal wacht er auch den ganzen Tag nicht mehr auf. Nur in der ersten Woche war Günther ein guter Schüler.
Mama Günther war schon zum Gespräch in der Schule.
»Wie läuft das denn morgens?«, frage ich sie.
»Na, ich gehe ja schon sehr früh aus dem Haus.« Mama Günther arbeitet als Reinigungskraft in einem Bürohaus. »Ich rufe Günther dann an, wenn er aufstehen soll.«
»Aber er steht dann nicht auf oder wie?«
»Na ja, manchmal steht er auf und legt sich dann wieder hin.«
Neulich fehlt Günther wieder in der ersten Stunde. Ich denke: Ach, na ja, der wird dann wohl in vierzig Minuten oder so eintrudeln. Später frage ich die Schüler auf dem Hof, ob Günther mittlerweile aufgetaucht ist. Keine Spur von ihm. Ich visualisiere Günther gemütlich im Bett und werde ein wenig neidisch. Ich kann nicht einfach drei Stunden zu spät kommen und mich mit einem lapidaren »Verschlafen« an meine Arbeit machen. Ich war in meiner Laufbahn als Lehrerin vielleicht drei Mal zu spät. Einmal ist der Wecker nachts stehengeblieben. Ich wachte auf, Blick auf die Armbanduhr: Vollschock! Das schaffe ich nie im Leben. Der Freund schlummerte gemütlich neben mir. In meiner Panik habe ich den auch aufgeweckt: »Scheiße, Scheiße, wach auf! Ich bin zu spät! Ich schaffe das nicht mehr zur ersten Stunde! Was mache ich denn jetzt? Soll ich anrufen und sagen, dass ich krank bin, oder soll ich anrufen und sagen, dass ich verschlafen habe und noch losfahre, oder soll ich nicht anrufen und sagen, der Bus hatte eine Panne?«
Und was sagt der Freund? »Ja.«
Frühmorgens ist der Freund echt keine Hilfe. Ich habe dann angerufen und die Wahrheit gesagt. War auch gar nicht so schlimm, ich kam nur 10 Minuten zu spät. Die Schüler hat es überhaupt nicht gestört: »Jetzt hätten Sie auch nicht mehr kommen müssen. Lohnt sich doch gar nicht mehr.«
»Sie sind voll der Streber, Frau Freitag, nie sind Sie krank.«
Günther ist da ganz anders als ich. Der liebliche Ruf des Weckers oder die ihn mahnende Mama am Handy sind für ihn keine Gründe aufzustehen. Da verlässt seine arme Mutter mitten in der Nacht das Haus, und er pennt in Ruhe bis mittags. Aber das wird sich jetzt ändern, beschließe ich. Es ist 14 Uhr.
»Hallo Mama Günther, hier ist Frau Freitag. Ich wollte fragen, wo der Günther ist.«
»Ist der nicht in der Schule?«
»Also, wenn er sich bisher nicht erfolgreich versteckt hat, dann nein.«
»Oh. Ich bin noch unterwegs. Dann ist er bestimmt auf dem Sofa wieder eingeschlafen. Und schläft noch.«
»Wie, er schläft noch? Es ist 14 Uhr.«
»Ja, manchmal schläft er noch, wenn ich wieder nach Hause komme.«
»WAS? Was macht der denn nachts? Arbeitet der Nachtschicht oder wie?«
»Nein, nein.«
»Das könnte er jedenfalls. Na, wenn Sie nach Hause kommen, dann gucken Sie mal, ob er da ist. Und es wäre nett, wenn Sie mir eine SMS schreiben könnten, was mit ihm war. Telefonieren können wir dann nicht, denn ich bin noch bis um 16.30 Uhr in der Schule.« Seit 7.30 Uhr, denke ich mir im Stillen. Den ganzen Tag auf Arbeit, während Herr Günther gemütlich auf der Couch pennt.
Als ich völlig erschöpft nach 17 Uhr im Bus sitze, erhalte ich von Mama Günther folgende SMS:
Hallo Frau Freitag
wie gedacht ist Günther wieder auf dem Sofa eingeschlafen. Ich bitte sie es wieder einmal zu
Weitere Kostenlose Bücher