Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
Vom Netzwerk:
seiner Predigten wirklich an jedem einzelnen seiner Worte gefeilt hatte und sich verantwortungsbewusst um die Wirkung seiner Worte Gedanken machte. Wenn ich es mir recht überlege, sagt er heute in seinem Amt als Bundespräsident inhaltlich auch nichts Anderes. Gerade deshalb habe ich vor ihm ungeheuren Respekt. Er wirft nicht alle paar Jahre Inhalte weg und ersetzt sie durch neue. Er glaubt an die Wirkung jedes Einzelnen und er ermuntert jeden Einzelnen, verantwortungsbewusst in seinem jeweiligen Umkreis zu handeln.
     
    Daniel: Interessant, was du sagst. Ich habe ehrlich gesagt bisher noch keine rechte Ahnung, wie ich Gauck als Typ einorten soll. Aber ich kenne ihn natürlich nur aus der Presse und als Person auch erst, seit er das erste Mal für das Bundespräsidentenamt vorgeschlagen wurde. Hast du noch ein oder zwei Anekdoten von Begegnungen mit ihm?

    Christian: So ganz persönlich im kleinen Kreise bin ich ihm nie begegnet. Aber er war schon als junger Mann eine in sich ruhende Persönlichkeit. Man bemerkte sofort, der hat ein starkes Fundament. Und was mir beim Guten-Tag-Sagen oder bei der Verabschiedung nach einem Gottesdienst noch in sehr guter Erinnerung geblieben ist: Egal, wie viele Leute im Gottesdienst waren, ich hatte nie das Gefühl, Bestandteil einer Fließbandproduktion zu sein. Der Mann, dem Gauck die Hand drückte, der stand für ihn dann auch glaubhaft im Mittelpunkt. In Kirchenkreisen galt damals in Rostock die Devise: Wenn Sie oder Ihre Kinder Ärger mit der Stasi haben, gehen Sie zu Pastor Gauck, der hilft Ihnen weiter. Gauck war eine Instanz! Er hielt Predigten mit viel Inhalt, konnte Menschen aufwühlen und ihr Tun hinterfragen, ohne dabei die Genossen, die ihn natürlich ebenfalls unter Beobachtung hatten, zu provozieren. Mit diesem Typ Pfarrer konnte ich mich sehr gut anfreunden.

18. Eine weiße Seite in der Mecklenburgischen Kirchenzeitung
     
    Christian: Viele Jahre gehörte ich zum Team der freien Mitarbeiter der evangelischen Wochenzeitung „Mecklenburgische Kirchenzeitung". Jeder Beitrag, jeder Buchstabe, der erschien, wurde vor der Veröffentlichung selbstverständlich von den Genossen der Pressezensur gelesen. Vieles wurde zurückgeschickt, weil es so nach Ansicht der sozialistischen Pressehüter nicht erscheinen durfte. Mal waren die mächtigen Männer strenger, mal gelang es zwischen den Zeilen ein wenig mehr Kritisches zum Leser zu transportieren.
     
    Daniel: Okay. Das interessiert mich jetzt schon: Hast du noch ein paar Beispiele parat, was dort so zensiert wurde? Ich gehe mal davon aus, dass es sich hier sowieso nicht um politische Parolen handelte, die du in den Kurzgeschichten eingebaut hast? Was ich mich auch frage: Wenn jede Zeitung im Land – auch jede Kirchenzeitung – von einer Zensurstelle vorher geprüft wird, dann ist das ein riesiger Arbeitsaufwand. Da hängt ja ein unglaublicher staatlicher Verwaltungsapparat dahinter ...
     
    Christian: Genau deshalb ist es ja auch kein Witz, sondern bitterer Ernst, wenn es heißt, die Stasi war der mächtigste Kontrollapparat im Staat. Offiziell war es ja nicht die Stasi, die die Zensur durchführte. Es waren jeweils die zuständigen Mitarbeiter beim Rat des Bezirkes in der Abteilung Inneres, rein zufällig waren die aber oft auch Stasimitarbeiter.
    Du fragst nach Beispielen. Ich hatte in meinem VEB-Betrieb gesehen, wie groß die Alkoholprobleme waren. Von kirchlicher Seite erfuhr ich Zahlen, die mich damals schockten. Es war die Zeit, in der man noch darüber stritt, ob die Alkoholsucht nun eine Krankheit ist oder nicht. Das war für mich ein Thema und ich schrieb eine Kurzgeschichte darüber. Die konnte nicht erscheinen. Warum? „Weil der Autor nicht die Realität im ersten sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat wiedergab."
    Ein anderes Beispiel. Kirchliche Umweltgruppen entstanden Anfang der 80er Jahre. Es gab in Schwerin zahllose Gespräche, warum diese Themen nicht in die MKZ durften. Hätte die DDR solche Themen zugelassen, dann wäre dies das Eingeständnis gewesen, dass sie selbst sich um dieses Thema nicht genug kümmerte.
    Der spätere mecklenburgische Landesbischof Hermann Beste war in jenen furchtbaren Jahren unser Chefredakteur. Mit ihm habe ich mich von Anfang an sehr gut verstanden. Er ermutigte mich, neben Rezensionen und Berichten über Gemeindeveranstaltungen, auch Meditationen und Kurzgeschichten für die Wochenzeitung zu schreiben. Bekannte Kirchenlieder versah ich mit neuen Texten und sie wurden

Weitere Kostenlose Bücher