Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)
von mir wissen, welche Aktionen als nächste in der Johanniskirche in Neubrandenburg geplant sind. Wieder einmal nannten sie mir Namen von Personen, über die sie mehr erfahren wollten. Wieder einmal erzählten mir die Herren, dass ich ein undankbarer Lümmel bin. Immer habe ich nur die Vorteile meiner sozialistischen Heimat genossen und nun soll ich zur NVA gehen, da weigere ich mich.
Nach einer Stunde nahmen mich die Herrschaften mit und erst nach drei Tagen wurde ich an den Stadtrand von Stavenhagen zurückgebracht.
Daniel: Ist das schwierig für dich, darüber zu sprechen? Ich denke, uns alle interessieren noch mehr Details, was dir in den drei Tagen widerfahren ist.
Christian: Zu der Zeit, als ich meine Schwierigkeiten mit der Stasi hatte, unternahm der Staat eigentlich nicht mehr viel gegen uns sogenannte Totalverweigerer. Dass es mich trotzdem traf, hatte einen ganz anderen Grund. Während der drei Tage und Nächte in einem anonymen Haus in der Nähe von Neubrandenburg, wurden Frage-Antwort-Runden ständig wiederholt. Immer wenn ich gerade eingenickt war, benötigte man mich für ein weiteres Gespräch.
Man wollte von mir genau wissen, warum ich die Johanneskirche in Neubrandenburg besuche. Vor allem wollten die Fragesteller wissen, wen ich von den Verantwortlichen persönlich kenne und welche Aktionen und Veranstaltungen als nächste geplant wurden. Zu meinem Leidwesen kannte ich tatsächlich einen Mann, der inzwischen Vikar in der Johanniskirche geworden war. Er war einige Jahre zuvor als Latscher bei einer Rüstzeit in Serrahn mit dabei und mit meinen Schwaaner Pastor war er befreundet. Einmal sind wir rein zufällig eine lange Zugfahrt gemeinsam gefahren. Zum Glück war ich damals in der Situation, wirklich nichts über geplante Veranstaltungen zu wissen.
Als ich dann während der drei Verhörtage von einem Mann im weißen Kittel eine Spritze bekam und danach aus einem Schlaf erwachte, begann für mich eine sehr unruhige Zeit. Ich wusste nicht, was ich gespritzt bekommen hatte, wie lange ich geschlafen habe und auch nicht, ob ich während dieser Zeit etwas erzählt habe, was irgendjemandem schaden könnte.
Als die Wende kam, hatte ich bei jeder Entdeckung eines weiteren IM's panische Angst, selbst als IM enttarnt zu werden. Es gab ja auch Leute, die ohne ihr Wissen als Inoffizielle Stasimitarbeiter geführt wurden und dies nie wussten.
Wochen und Monate habe ich mit mir gerungen. Dann lud ich den betreffenden Mann zu mir ein und öffnete ihm zitternd meine Wohnungstür. Meine erste Frage an ihn: „Hast du deine Akte gelesen, komme ich darin vor?" Zum Glück hatte er bereits seine Stasiakte gelesen und mein Name war nirgends aufgetaucht. Ich war selig, aber ich habe immer noch eine panische Angst vor Ärzten, die ich nicht ausblenden kann.
Bis heute weiß ich nicht, woher diese Leute meinen Dienstplan kannten. Es gab keine mathematische Formel, nach dem er erstellt wurde. Feiertage, Urlaubstage und Krankheitstage waren die ständigen Variablen, die eine Vorhersage für den Dienstplan unmöglich machten. Aber die Herren von der Stasi kannten ihn.
Daniel: Oder sie haben stundenlang in deiner Wohnung gewartet? Aber im Ernst: Wie oft hattest du Stasi-Besuch? Und was hat das mit dir gemacht? Ich kann mir vorstellen, dass man ein ziemlich mulmiges Gefühl mit sich herumträgt, wenn man weiß, dass man jederzeit der Staatswillkür zum Opfer fallen kann und sich nicht dagegen wehren kann. Im Westen gab es so etwas natürlich nicht und die Menschen hatten eher das Gefühl, dass die Staatsmacht sie von allen Bedrohungen von außen schützt.
Christian: Insgesamt haben sich diese 3-Tages-Ausflüge sechs oder sieben Mal wiederholt. Ich war damals Junggeselle, wäre ich bereits Ehemann und Vater gewesen, ich glaube, dann wäre ich doch zur NVA gegangen.
Tja, was macht das mit einem? Ich war damals ziemlich fertig gespielt. Zwei wirkliche Freunde hatte ich damals, mit denen ich gut reden konnte, leider wohnten sie weit weg von mir und konnten mich nicht allzu oft besuchen. Briefeschreiben war unmöglich, weil die Stasi mitlesen würde und Telefon hatte niemand von uns. Ihre Besuche waren immer sehr ungemütlich. Wir sprachen in der Wohnung nur belangloses Zeug und wichtige Gespräche führten wir auf langen Spaziergängen. Wir rechneten damit, dass meine Wohnung voller Wanzen steckt, aber herausbekommen haben wir es nicht.
Eine Zeit lang versuchte ich, all dies allein durchzustehen. Als es
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