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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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bedrohte.
    Die Soldaten wichen zurück.
    Einmal mehr fand sich die Horde in der Mitte eines größer werdenden
    Kreises wieder.
    »Was sind Artilleristen?« fragte der Junge Willie.
    »Äh«, erwiderte Herr Zervelatwurst. »Ich glaube, damit sind Leute ge-
    meint, die eine Art Projektil abfeuern. Der Ausdruck stammt von…«
    »Ach, so was wie Bogenschützen«, brummte der Junge Wil ie und
    spuckte aus.
    »Wasisn?«
    »Er sagte, DER FEIND SETZT BOGENSCHÜTZEN EIN, Polte-
    rer!«
    »Hehe, bei der Schlacht vom Koomtal haben wir uns nicht von Bogen-
    schützen aufhalten lassen«, gackerte der alte Barbar.
    Der Junge Willie seufzte.
    »Bei der Schlacht vom Koomtal haben Zwerge gegen Trolle gekämpft,
    Polterer. Du bist weder das eine noch das andere. Auf welcher Seite
    warst du damals?«
    »Wasisn?«
    »Ich habe gefragt, AUF WELCHER SEITE WARST DU DAMALS?«
    »Auf der Seite jener Leute, die für den Kampf bezahlt wurden«, ant-
    wortete der Irre Polterer.
    »Das ist in jedem Fall die beste Seite.«

    Rincewind lag auf dem Boden und hielt sich die Ohren zu.
    Es donnerte im unterirdischen Gewölbe. Blaues und purpurnes Licht
    strahlte so hell, daß es die geschlossenen Lider des Zauberers durch-
    drang.
    Schließlich fand die Kakophonie ein Ende. Noch immer erklangen die
    Geräusche des wütenden Unwetters von draußen, aber aus dem grel en
    Schimmern wurde ein mattes blauweißes Glühen, und das Krachen
    schwoll ab zu einem leisen, beständigen Summen.
    Rincewind riskierte es, sich zur Seite zu rol en und die Augen zu öff-
    nen.
    Rostige Ketten reichten von der Decke herab, daran hingen große
    Glaskugeln. Jede von ihnen bot genug Platz, um einen ausgewachsenen
    Menschen aufzunehmen. Flackernde Blitze krochen übers Glas und
    suchten einen Weg nach draußen.
    Irgendwann einmal mußten es noch mehr gewesen sein. Aber im Lauf
    der Jahre waren Dutzende von Kugeln zu Boden gefallen und zerbro-
    chen. Doch viele hingen noch immer von der Decke herab und schwan-
    gen an ihren Ketten langsam hin und her, während die gefangenen Blitze
    die Freiheit suchten.
    Die Luft fühlte sich schmierig an. Funken krochen über den Boden
    und knisterten an jeder Kante.
    Rincewind stand auf und spürte Bewegung im Gesicht – jedes einzelne
    Barthaar stand ab.
    Das Licht der Blitzkugeln fiel auf einen kleinen See herab, der aus rei-
    nem Quecksilber zu bestehen schien und in dessen Mitte sich eine nied-
    rige, fünfeckige Insel erhob. Während Rincewind hinübersah, näherte
    sich ein Boot. Der Bug glitt mit leisem, rhythmischem Plätschern durch
    das Quecksilber.
    Es war nicht viel größer als ein Ruderboot, und in ihm lag eine Gestalt,
    die eine Rüstung trug. Vielleicht war es auch nur eine Rüstung ohne In-
    halt. Und wenn sie tatsächlich leer war… nahm sie mit ihren gefalteten
    Händen die Haltung eines Bestatteten ein.
    Rincewind ging an dem silbernen See entlang, bis er eine Platte fand,
    die aus Gold zu bestehen schien. Unmittelbar dahinter stand eine Statue.
    Er wußte, daß Gräber Inschriften hatten, obwohl er sich immer gefragt
    hatte, wer sie lesen sol te. Vermutlich die Götter. Aber die wußten doch
    eh schon al es. Er konnte sich kaum vorstel en, daß sie vor Grabsteinen
    standen und sagten: »Meine Güte. Man hat ihn ›innig geliebt‹? Davon
    höre ich jetzt zum ersten Mal.«
    Diese Inschrift – in Form von Piktogrammen – lautete schlicht und
    einfach: Eins Sonnenspiegel.
    Hinweise auf grandiose Eroberungen gab es ebensowenig wie eine Li-
    ste bemerkenswerter Leistungen. Der Tote wurde nicht als Vater des
    Volkes bezeichnet, und es wurde auch nicht behauptet, er sei besonders
    weise gewesen. Es gab keine Erklärung. Wer den Namen kannte, wußte bereits al es. Und diesen Ort konnte niemand erreichen, der noch nichts
    von Eins Sonnenspiegel gehört hatte.
    Die Statue schien aus Porzellan zu bestehen, und sie war auf sehr reali-
    stische Weise lackiert. Eins Sonnenspiegel war offenbar ein recht ge-
    wöhnlicher Mann gewesen. Wer ihm auf der Straße begegnet wäre, hätte
    sicher kein Kaiser-Potential in ihm vermutet. Doch dieser Bursche mit
    dem kleinen runden Hut und einem kleinen runden Schild und mit klei-
    nen runden Männern auf kleinen runden Ponys hatte tausend unterein-
    ander zerstrittene Stämme und Nationen zu einem großen Reich vereint,
    wobei er häufig die Gelegenheit genutzt hatte, das Blut anderer Leute zu
    vergießen.
    Rincewind sah genauer hin. Der Mund und die Augen… Er glaubte,
    eine gewisse

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