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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Innenseite
    senkrecht. Sie verläuft an Stränden, erstreckt sich in leeren Wüsten und
    über steile Klippen, wo die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs von außen
    gegen nul tendiert. Auf Inseln wie Bhangbhangduc und Tingling gibt es
    ähnliche Mauern, die im metaphorischen Sinn al e dieselbe Mauer sind.
    Wer zum militärischen Nichtdenken neigt, findet so etwas seltsam und
    erkennt vermutlich nicht die wahre Funktion des Bauwerks.
    Die Mauer ist nicht nur eine Mauer, sondern auch eine Markierung.
    Auf der einen Seite liegt das Reich – ein Wort, das im Achatischen auch
    »Universum« bedeutet. Auf der anderen Seite ist… nichts. Das Univer-
    sum enthält per definitionem al es, was existieren kann.
    Es mag den Anschein haben, als existierten noch andere Dinge wie
    Meere, Inseln und Kontinente. Sie könnten erstaunlich echt wirken, und
    vielleicht ist es sogar möglich, sie zu erobern, auf ihnen umherzuwan-
    dern… Aber letztendlich sind sie nicht Teil der Realität. Im Achatenen Reich verwendet man das Wort für »Ausländer« auch für »Phantome«;
    und man braucht nur einen Pinselstrich hinzuzufügen, um »Opfer« dar-
    aus zu machen.
    Die Mauer ist an der Innenseite steil, um jene langweiligen Leute zu
    entmutigen, die weiterhin glauben wol en, auf der anderen Seite gäbe es
    irgendwelche interessanten Dinge. Erstaunlicherweise kommt es auch
    nach Jahrtausenden immer wieder vor, daß sich Personen weigern, ein-
    sichtig und vor allem gehorsam zu sein. Im Bereich der Küsten bauen sie
    Flöße und brechen zu fernen, sagenhaften Ländern auf. Weiter im Lan-
    desinneren benutzt man große Drachen, die Menschen tragen, oder
    Stühle, die von Feuerwerkskörpern angetrieben wurden. Viele Unein-
    sichtige kommen bei ihren Fluchtversuchen ums Leben. Die meisten
    anderen werden gefaßt und bekommen Gelegenheit, in interessanten
    Zeiten zu leben.
    Doch manche schafften es bis zum großen Schmelztiegel namens
    Ankh-Morpork. Sie trafen ohne Geld dort ein – die Kapitäne verlangten
    die Preise, die der Markt zuließ: Sie nahmen den Flüchtlingen al es ab –, aber sie hatten ein seltsames Glühen in den Augen, eröffneten Läden
    und Restaurants und arbeiteten vierundzwanzig Stunden am Tag. Man
    sprach in diesem Zusammenhang vom Ankh-Morpork-Traum – der
    Traum, einen Haufen Geld zu verdienen, an einem Ort, wo der eigene
    Tod nicht zum Instrument der Politik wurde. Und davon träumten vor
    al em Leute, die nicht schliefen.

    Rincewind glaubte, daß die Augenblicke des Erwachens in seinem Leben
    eine besondere Rol e spielten. Sie waren nicht immer schrecklich.
    Manchmal genügte das Wort »unangenehm«, um sie treffend zu be-
    schreiben. In einigen – zugegebenermaßen sehr wenigen – Fäl en hatte er
    dabei sogar den Eindruck, daß ein innig gehegter Wunsch in Erfül ung
    ging. Zum Beispiel auf der Insel: Die Sonne ging stumpfsinnig auf, und
    die Wel en rollten langweilig an den Strand. Konnte man sich mehr wün-
    schen?
    Gelegentlich gelang es ihm sogar, ohne den sonst üblichen Schreckens-
    schrei aufzuwachen.
    Im jetzigen Fall war das Erwachen… ungemütlich. Er wurde hin und
    her gestoßen; jemand hatte ihm die Hände gefesselt; es war dunkel, vor
    allem wegen des Sacks über seinem Kopf.
    Rincewind rechnete kurz.
    Bisher gibt es nur sechzehn schlimmere Tage in meinem Leben, dachte
    er.
    Es war al es andere als ungewöhnlich, in einer Kneipe bewußtlos ge-
    schlagen zu werden. Wenn das in Ankh-Morpork geschah, mußte man
    damit rechnen, mit leeren Taschen auf dem Ankh zu erwachen. Oder im
    Speigatt eines Schiffes, das zu einer langen und besonders unpopulären
    Reise aufbrach – in diesem Fal bestand die al es andere als erfreuliche
    Perspektive darin, die nächsten beiden Jahre Ozeanwel en zu pflügen.*
    Wer auch immer zuschlug: Normalerweise wol te er, daß sein Opfer am
    Leben blieb. Die Diebesgilde legte darauf großen Wert. Dort hieß es:
    »Wenn man jemanden zu fest schlägt, kann man ihn nur einmal ausrau-
    ben. Schlägt man jedoch gerade fest genug, kann man den Betreffenden jede Woche bestehlen.«
    Wenn Rincewind auf einem Karren lag – und dafür sprachen gewisse
    Anhaltspunkte –, dann wollte jemand, daß er am Leben blieb.
    Er bedauerte diesen Gedanken.
    Kurze Zeit später nahm ihm jemand den Sack ab. Ein schreckliches
    Gesicht starrte auf ihn herab.
    »Ich würde gern deinen Fuß essen!« sagte Rincewind.
    »Sei unbesorgt. Ich bin ein Freund.«
    Hände schoben die Maske beiseite, und darunter kam

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