Echt zauberhaft
Ein Loch des Schweigens entstand, das sich sofort mit
dem Geschnatter des Marktes fül te.
Rincewind rollte die Ärmel hoch.
Er kannte nicht einmal eine Zauberformel, die dazu diente, irgend et-
was explodieren zu lassen…
Er winkte unsicher mit der Hand.
»Ich glaube, wir sol ten besser zurückweichen«, meinte Zwei Feuer-
kraut spöttisch.
»Quanti canicula illa in fenestre?« sagte Rincewind. »Äh…«
Verzweifelt starrte er zur Mauer, und seine von Entsetzen sensibilisier-
te Wahrnehmung bemerkte einen halb im Holz verborgenen Kessel.
Eine kleine brennende Schnur ragte daraus hervor.
»Äh«, wiederholte er. »Ich glaube, da drüben…«
»Hast du Probleme?« fragte Zwei Feuerkraut vol er Schadenfreude.
Rincewind straffte die Schultern.
»–«, sagte er.
Ein sonderbares Geräusch erklang – es hörte sich an wie ein weicher
Pfannkuchen, der auf einen Teller fiel. Gleichzeitig wurde vor Rince-
winds Augen alles weiß.
Das Weiß verwandelte sich in ein von schwarzen Streifen durchzoge-
nes Rot. Das Geräusch streckte seine Hände aus und schmetterte sie
gegen Rincewinds Ohren.
Ein sichelförmiges, glühendes Teil schnitt die Spitze vom Hut des
Zauberers, traf einen Sekundenbruchteil später das nächste Haus und
setzte es in Brand.
Es roch nach angesengten Augenbrauen.
Als al e Trümmerstücke zu Boden gefal en waren, sah Rincewind ein
ziemlich großes Loch in der Mauer. Die Ziegelsteine an dessen Rand –
jetzt eine rotglühende Keramikmasse – kühlten langsam ab und flüster-
ten Glinka-glinka.
Rincewind starrte auf seine rußgeschwärzten Hände.
»Donnerwetter«, sagte er.
Und dann fügte er hinzu: »Na schön!«
Er drehte den Kopf, um ein zufriedenes »Na, wie hat euch das gefal-
len?« an den Rest der Welt zu richten. Doch er blieb stumm, als er sah,
daß al e auf dem Boden lagen.
Eine Ente beobachtete ihn argwöhnisch aus ihrem Käfig. Die Gitter-
stäbe boten ihr teilweise Schutz, weshalb ihr Äußeres abwechselnd gefie-
dert und knusprig war.
Rincewind hatte sich immer gewünscht, zu derartiger Magie fähig zu
sein. Es war ihm nie schwergefallen, sich alles genau auszumalen. Doch
die Kluft zwischen Vorstellung und Realität blieb unüberbrückbar. Bis
jetzt…
Einige Soldaten erschienen in dem Loch. Einer von ihnen – der be-
sonders grimmig wirkende Helm verriet, daß es sich um einen Offizier
handelte – betrachtete erst die demolierte Mauer und starrte dann Rin-
cewind an.
»Bist du dafür verantwortlich?« fragte er.
»Kommt nicht näher!« rief Rincewind und genoß das Gefühl der
Macht. »Ich bin der Große Zauberer, jawohl! Siehst du diesen Finger?
Zwing mich nicht, ihn zu gebrauchen!«
Der Offizier nickte zwei Wächtern zu.
»Schnappt ihn euch.«
Rincewind wich einen Schritt zurück.
»Ich warne euch! Wer mich anrührt, muß damit rechnen, für den Rest
seines Lebens Fliegen zu fressen und umherzuhüpfen!«
Die Wächter näherten sich mit der Entschlossenheit von Männern, die
das Unwägbare der Magie der Gewißheit von schrecklicher Strafe für
Befehlsverweigerung gegenüberstellten.
»Zurück mit euch! Der Finger könnte jeden Augenblick losgehen! Na
schön, ihr wol t es nicht anders…«
Rincewind winkte mit der Hand. Er schnippte einige Male mit den
Fingern.
»Äh…«
Die Wächter stellten erleichtert fest, daß sie noch immer die gleiche
Gestalt besaßen wie vorher. Jeder von ihnen griff nach einem Arm des
Zauberers.
»Möglicherweise dauert es diesmal etwas länger, bis sich die Wirkung
entfaltet«, hoffte Rincewind, als die Soldaten fester zugriffen.
»Möchtet ihr viel eicht einen berühmten Ausspruch hören?« fragte er.
Die Wächter hoben ihn hoch, wodurch seine Füße den Bodenkontakt
verloren. »Nein, wahrscheinlich nicht.«
Rincewind lief in leerer Luft, als er zum Offizier getragen wurde.
»Auf die Knie, Rebell!« fauchte der Mann mit dem schrecklichen Helm.
»Das würde ich ja gern, aber…«
»Ich habe gesehen, was ihr mit Vier Weiße Füchse angestellt habt!«
»Wie bitte? Wen meinst du?«
»Bringt… ihn… zum… Kaiser.«
Als man ihn fortbrachte, sah Rincewind aus den Augenwinkeln, wie die
Soldaten mit gezückten Schwertern gegen die Rote Armee vorrückten…
Eine Metal platte erzitterte kurz und fiel dann zu Boden.
»Paß auf!«
»Ich bin nicht daran gewöhnt, aufzupassen! Als ich mit dem Fürchter-
lichen Ferdinand ritt…«
»Hör endlich auf, immer wieder vom Fürchterlichen
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