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Echte Biester: Roman (German Edition)

Echte Biester: Roman (German Edition)

Titel: Echte Biester: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Mädchen eine Heidenangst hatte. Ein Gefühl, an das er sich nur allzu gut erinnern konnte.
    »Beeilen Sie sich!«, schrie sie, um das Aufheulen des Motors zu übertönen.
    Raven Stark erschien am Rand der Anlegestelle und stemmte die Hände in die Hüften. »Wo wollt ihr drei denn hin?«, fragte sie. »Die anderen sind noch gar nicht so weit! Und wo ist euer Walkie-Talkie?«
    Link hörte nichts von dem, was sie sagte, da er bereits auf dem Fahrersitz vor dem großen Propeller Platz genommen hatte. Als er den Motor auf Touren brachte, verspürte er plötzlich einen heftigen Stich unter dem rechten Schulterblatt. Ächzend drehte er sich um und sah einen Fremden im Footballshirt am Ufer stehen. In der rechten Hand hielt er einen kurzläufigen schwarzen Revolver. Den linken Arm hatte er um den Hals des Tiertrainers geschlungen.
    Link war verwirrt und gleichzeitig beunruhigt. Er trat aufs Gaspedal, worauf das Boot davonschoss. Zehn Minuten und etliche Kilometer später stellte sein Hirn endlich eine Verbindung zwischen den immer schlimmer werdenden Schmerzen in seinem Rücken und dem Fremden mit der Waffe her.
    Vielleicht bin ich angeschossen worden , dachte er.
    Vor seinen Augen begann alles zu verschwimmen – die Wolken, das Wasser, das gelbbraune Schneidegras. Der Rücken seines T-Shirts fühlte sich warm und klebrig an.
    Klar bin ich angeschossen worden , dachte er.
    Bevor er zusammenbrach, gelang es ihm noch, das Boot zu stoppen. Die Kids fanden offenbar den Erste-Hilfe-Kasten und machten sich daran, seine Schusswunde zu versorgen. Da Link von Zeit zu Zeit das Bewusstsein verlor, bekam er nur einen Teil ihres Gesprächs mit.
    »Kannst du die Blutung nicht stillen?«, fragte das Mädchen.
    »Versuch ich ja gerade«, erwiderte der Junge. »Hast du die Waffe gesehen? Was war das?«
    »Ein .38er Revolver.«
    Woher weiß die denn das? , überlegte Link, der wie benebelt war.
    Er hob den Kopf und machte eines seiner Augen einen Spaltbreit auf. »Hast du ’ne Ahnung, wer auf mich geschossen hat?«
    »Ja«, antwortete das Mädchen. »Mein besoffener Dad.«
    »Puh.«
    »Ein neuer Tiefpunkt«, fügte sie hinzu, »selbst für ihn.«
    »Muss ich sterben?«, fragte Link.
    »Ach wo«, sagte der Junge.
    »Gut.« Link schloss die Augen und machte ein Nickerchen.
    Mit Erster Hilfe kannte Wahoo sich aus. Da sie das Grundstück voller Tiere hatten, wurden er und sein Vater häufig gekratzt, gezwickt oder gebissen. Was den Schmerz betraf, so waren Affenbisse am schlimmsten, danach kamen dann gleich Waschbärenbisse. Solche Verletzungen waren zwar nicht lebensbedrohlich, mussten aber schnellstens versorgt werden, um Infektionen vorzubeugen, die gefährlich werden konnten. Wahoo hatte gelernt, eine Blutung zu stillen, eine Wunde zu säubern und antibiotische Mittel aufzutragen.
    Während er sich um Link kümmerte, kniete Tuna neben ihm. Zuerst schlitzte er mit einem Schraubenzieher aus dem Werkzeugkasten des Boots Links blutgetränktes Shirt auf. Dann tat er etwas Wasserstoffperoxid auf die Wunde, die er anschließend mit Alkohol betupfte, was so brannte, dass Link aufstöhnte.
    Nachdem er mit einer Pinzette einen Bleibrösel aus dem erbsengroßen Einschussloch geholt hatte, sagte Wahoo: »Die Kugel ist zersplittert. Möglicherweise ist ein Knochen getroffen worden.«
    Tuna nahm das gezackte Fragment an sich und legte es sich auf die Handfläche. »Unglaublich«, sagte sie. »Jetzt hat mein Vater endgültig den Verstand verloren.«
    »Wie hat er dich überhaupt gefunden?«, fragte Wahoo.
    »Weil ich total verblödet bin, deshalb. Der Akku von meinem Handy war leer, darum habe ich von dem Telefon im Laden aus angerufen. Sicklers Nummer muss auf Daddys Display erschienen sein. Alles meine Schuld!«
    Sie starrte bedrückt auf Link, der bewusstlos auf dem Deck des Sumpfboots lag. Sie und Wahoo hatten ihn auf den Bauch gedreht, nachdem er vom Fahrersitz gefallen war.
    »Das ist schrecklich«, sagte sie.
    Das konnte Wahoo nicht abstreiten. Ungeachtet dessen, was er zu Link gesagt hatte, war er überhaupt nicht sicher, dass die Verletzung nicht tödlich war. Ohne Röntgenbild und andere medizinische Untersuchungen ließ sich nicht feststellen, wie viel Schaden die Kugel im Innern des Körpers angerichtet hatte. Die Vorstellung, dass Link sterben könnte, war so unerträglich, dass Wahoo sie schnell verdrängte. Auf diese Weise gelang es ihm, eine ruhige Hand zu behalten, als er die Schusswunde mit einem Antibiotikum einpinselte, das wie A1

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