Echte Biester: Roman (German Edition)
doch gesehen!«
»Was ist mit ihrem Auge passiert?«
»Ich hab Ihnen doch gesagt, dass sie die Floydsche Krankheit hat. Das is’ eins der Anzeichen – blaue Flecken im Gesicht.«
»Den Bären können Sie jemand anderm aufbinden«, sagte Sickler.
»Nun kommen Sie schon, Jared«, warf Mickey ein. »Lassen Sie uns zum Wagen gehen. Wir haben eine lange Fahrt vor uns.«
»Nein, danke.«
»Sie wollen doch Ihre Tochter sehen, oder?«
»Klar«, erwiderte Tunas Vater. »Aber ich glaube, dass Sie mich anlügen, Mister, genau wie die Sportskanone hier. Ich glaube, dass sie noch hier is’ und Sie beide genau wissen, wo.«
Dann griff Jared Gordon unter sein schmuddliges Footballshirt und zog einen Revolver heraus. »Und ich glaube, dass Sie mich sofort zu ihr bringen werden«, sagte er, »sonst hat hier nämlich gleich jemand ein großes Loch im Kopf.«
Es stimmte, dass Links selbst gebautes Sumpfboot der Mittelpunkt seines Lebens war. Und sein Leben war nicht sonderlich kompliziert. Er lebte allein in einem Wohnwagen, in der Nähe der winzigen Stadt Copeland an der Route 29. Seine Interessen beschränkten sich darauf, angeln oder auf die Jagd zu gehen und den alten Ottomotor seines Boots zu tunen.
Link besaß ein schlichtes Gemüt und kannte weder Ehrgeiz noch Neugier. Er fühlte sich in den Everglades sehr wohl und genoss es, allein zu leben, vor allem, nachdem er eine derart harte Kindheit hinter sich hatte. Er hatte keine Angst vor Bären, Panthern oder Alligatoren. Schlangen machten ihn allerdings nervös. Trotz seines ungeschlachten Äußeren war er kein bösartiger Mensch, hatte aber auch keine Scheu davor, seine Fäuste sprechen zu lassen. Und wenn er das tat, gewann er meistens.
In Links Wohnwagen waren nur wenige Bücher und Zeitschriften zu finden, denn er hatte sich immer mit dem Lesen schwergetan. Dafür sah er viel fern, allerdings keine Natursendungen, sodass er keine Ahnung hatte, wie berühmt Derek Badger war. Link hatte den Job bei den Dreharbeiten nur angenommen, weil die Sache zweihundert Dollar pro Tag einbrachte und er mit seinem Sumpfboot fahren konnte. Was er bisher erlebt hatte, hatte ihn nicht beeindruckt und ihn auch nicht dazu animiert, sich künftig die Donnerstagabendsendung anzusehen. Da blieb er lieber beim Kickboxen, das im Pay-TV gezeigt wurde.
So etwas wie die Suche nach Badger machte Link nicht zum ersten Mal mit. Gewöhnlich handelte es sich bei den Verschwundenen um Amateurbootfahrer oder Rucksacktouristen, die man innerhalb von ein oder zwei Tagen aufspürte – mit Sonnenbrand, ausgehungert und voller Insektenstiche. Link rechnete damit, dass der Suchtrupp auch Badger in erbärmlichem Zustand, aber unversehrt finden würde. Er konnte sich nicht erinnern, dass jemals jemand von einem Alligator gefressen worden oder am Biss einer Mokassinschlange gestorben war.
Viel mehr Sorgen machte er sich um sein wertvolles Sumpfboot, das er als Bausatz gekauft und selbst zusammenmontiert hatte. Außer ihm war bisher niemand damit gefahren. Mit einem Typ wie Derek am Steuer konnte sonst was passieren. Da er befürchtete, dass sein Herzenskind als zerknautschter Aluminiumhaufen enden könnte, war Link voller Eifer mit bei der Suche dabei. Während Raven Stark dem Suchtrupp an Sicklers Anlegestelle letzte Anweisungen erteilte, ging Link unruhig auf und ab. Er konnte es kaum erwarten loszufahren. Raven hatte ihn dem Boot eines jungen Miccosukee namens Bradley Jumper zugeteilt, der gerade unter einem Banyanbaum saß und einen Donut aß.
»Wir müssen los«, drängelte Link.
»Darf ich vielleicht erst mal frühstücken, Alter?«
Link hatte den Eindruck, dass Bradley Jumper in keiner Weise begriff, was auf dem Spiel stand.
»Sofort!«, sagte Link.
»Halt die Luft an.«
Das war nicht die Antwort, auf die Link gehofft hatte. Gerade als er im Begriff war, Bradley bei seinem langen schwarzen Pferdeschwanz zu packen und ihn zur Anlegestelle zu zerren, kam das Mädchen namens Tuna angerannt.
»Helfen Sie mir«, keuchte sie.
»Okay«, sagte Link.
Sie hopste in Bradley Jumpers Boot – eine Spezialanfertigung für Sumpftouren, sieben Meter lang und mit einem achtblättrigen Turbopropeller. Link folgte ihr an Bord und warf sofort den Motor an.
»Hey!«, schrie Bradley, dem Donutkrümel aus dem Mund fielen.
Doch Link war bereits dabei, die Taue von den Pollern loszubinden. Der Sohn des Tiertrainers tauchte plötzlich auf und sprang ins Boot. Link stellte keine Fragen, da er sah, dass das
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