Echte Männer
Anfangsleidenschaft, die an einen defekten Defibrillator in
Emergency Room
erinnern. Das große Missverständnis liegt darin, dass Zeitschriften, Talkmasterinnen und Sexratgeber-Autorinnen behaupten, das Problem sei die Wiederholung. Die Lösung ist demzufolge das Neue. Also rüsten die sexwilligen Paare auf: Man kauft die Lack-und-Leder-Streckbank mit Extra-Spikes, macht einen Windelkurs für klitschkogroße Babys, lernt Bondage und treibt es im Paternoster des Finanzamtes. Man treibt es von vorn, von hinten und als Löffelchen, im Bett, auf der Wiese, auf dem heißen Herd. Man bittet Karlheinz von nebenan dazu oder entblößt sich im Streichelzoo vor den spuckenden Lamas. Das mag ja alles mehr oder weniger interessant sein, es hat nur einen Nachteil: Egal, was man tut, irgendwann wird es Routine. Selbst wenn man sich von onanierenden Zwergen ans Kreuz nageln lässt: Nach ein paar Malen kennt man die Zwerge, und kopfüber am Kreuz gehangen hat man dann auch schon. Und weil irgendwann alles bekannt ist, lauert auch in jeder neuen immer heißeren, immer schärferen Sex-Raffinesse wieder die Eintönigkeit. Das heißt ja nicht, dass man nichts mehr ausprobieren soll. Wenn man es nicht als Allheilmittel für ein laues Triebleben sieht, kann das ganz witzig sein. Neulich rief zum Beispiel eine große deutsche Frauenzeitschrift zum Angriff der Geishas auf. Asia-Sex. Warum nicht, dachte ich und entrümpelte wie vorgeschrieben das Schlafzimmer.Nach schweißtreibenden zwei Stunden war es endlich so asketisch leergeräumt und japanisch dekoriert, wie die Autorin sich das vorgestellt hatte.
Dem irritierten Liebsten, der mich in meinem viel zu großen Kimono wohl für eine schlechte Kopie von Obi-Wan Kenobi hielt, machte ich klar, dass jetzt exotische Liebeskunst angesagt war, warf ihn aufs Bett und mich obendrüber. «Oh, benetze mit deinem Tau meine Kirschblütenknospen», säuselte ich den Anregungen der Zeitschrift folgend und kniete mich über ihn, womit ich statt strömenden Ejakulats aber nur pubertäres Gegacker hervorrief. «Ich werde meinen Panda dein Samuraischwert begrüßen lassen», ich senkte kreisend mein Becken, «damit du die kostbare Jadeperle im heiligen Schrein findest.» Sein Samuraischwert sah nicht besonders kampfbereit aus, und meine Jadeperle fühlte sich auch eher wie eine Erbse mit Migräne an. Weder die «Erklimmung des Berges von Gion» noch das «Spiel mit der Schärfe des Wasabi» brachte uns der Ekstase näher, und ich fragte mich langsam, wie viel Sake man wohl intus haben muss, um diese Nummer geil zu finden. So einigten wir uns kurzerhand auf unsere übliche Lieblingsstellung: Geisha kniend, die heiligen Schneeberge von Tokio hoch in der Luft und vorn auf der Schulter liegend, weil ich so am besten die Jadeperle mit den lieblichen Fingerspielen der Schleierfische umkreisen kann. Und während wir uns so ganz banal zurück nach Westeuropa fickten und die Yin-Yang-Kugeln seines Samuraigehänges ganz ohne meditatives Geläut im Rhythmus gegen die Öffnung meines wundertätigen Schreins stießen, da musste ich plötzlich an Schweinefleisch süßsauer denken und dass das bei Chen Loh um die Ecke schmeckt wie frittierterRüssel. Mein folgender Lachkrampf war im Skript der Frauenzeitschrift nicht vorgesehen, und nur intensives gemeinsames Denken an die überaus scharfe Lucy Liu, die in einem überaus scharfen schwarzen Latex-Catsuit nackt und schwitzend und natürlich breitbeinig auf einem vibrierenden Motorrad sitzt und sich langsam schaukelnd am Leder reibt, brachte mich beim Fest des großen Drachen bis zum Feuerwerk. Was also tun, damit es immer so weit kommt, zum funkensprühenden, infernalisch geilen Anfangssex? Wenn es die immer bizarreren, immer gewagteren Inszenierungen nicht sein können, muss es das Gegenteil sein. Die kleinen Freuden. Die Nebensächlichkeiten. Das, was verschüttgegangen ist bei allmorgendlichem gemeinsamem Zähneputzen. Nicht die Dinge, die man zu viel getan hat, sind schuld an der Unlust, sondern die, die man im Alltag gelassen hat. Sich Ewigkeiten tief in die Augen zu sehen zum Beispiel. Im Hausflur zu knutschen, bis die Nachbarn rebellieren. Die Tagesschau, den Anruf der Mutter, das Ping der Mikrowelle zu ignorieren, weil sich die Zunge gerade so nett in der Ohrmuschel zu schaffen macht. Mal Körperteile des Partners anzufassen, einfach, weil sie schön sind, und nicht, weil man sie zum Sex braucht. Die Kniekehlen zum Beispiel, die Fußknöchel, das Stückchen hinter
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