Echte Morde
Ablebens. Nein, ich dachte an die Szene dort in der Küche, die wie eine Theaterszene gewirkt hatte. Eine Theaterszene, in der Marnie die Leiche spielte. Eine Leiche: Marnie Wright. Die Rolle war ganz bewusst besetzt worden. Finderin der Leiche: Aurora Teagarden. Die Rolle hatte ich per Zufall übernommen, daran war nichts geplant gewesen. Marnies Tod, das Bild da hinter mir in der Küche - das war alles bewusst und absichtlich genau so arrangiert worden, und plötzlich wusste ich auch, was die ganze Zeit unter all dem Horror an meinem Unterbewusst-sein genagt hatte.
Meine Gedanken machten wilde Sprünge, während ich mit rasender Geschwindigkeit nachdachte. Mir war überhaupt nicht mehr übel.
Arthur hatte sein Telefonat beendet, ging zur Saaltür, stieß sie auf und steckte den Kopf in den Saal. Ich konnte deutlich hören, wie er sich an die anderen Clubmitglieder wandte.
„Hallo, hallo! Leute?" Die Stimmen im Saal verstummten. „Es hat einen Unfall gegeben", fuhr Arthur gelassen fort. „Leider muss ich euch alle bitten, den Saal nicht zu verlassen, bis wir die Lage hier draußen im Griff haben."
Im Griff? Soweit ich das beurteilen konnte, hatten wir die Lage hier draußen bestens im Griff.
„Wo ist Roe?" Das kam von John Queensland.
Der gute John. Mutter würde sich zweifellos freuen, wenn ich ihr das erzählte.
„Roe geht es gut. Ich bin gleich wieder bei euch."
„Wo ist meine Frau, Mr. Smith?" Gerald Wrights dünne Stimme.
„Ich bin in wenigen Minuten wieder bei euch", wiederholte der Polizeibeamte mit Nachdruck, ehe er die Tür schloss. Eine Weile stand er still und in Gedanken verloren da. Ob er wohl je als erster am Schauplatz eines Mordes gewesen war? Er schien im Kopf eine Liste durchzugehen und einzelne Punkte abzuhaken, jedenfalls bewegte er die Finger entsprechend, während er ins Leere starrte.
Ich stand und wartete, bis meine Knie wieder zitterten und ich Angst haben musste, sie würden mich bald nicht mehr tragen. „Arthur?", meldete ich mich scharf. „Detective Smith!"
Arthur zuckte zusammen: Er hatte mich vergessen, war aber sofort wieder bei mir und nahm hilfsbereit meinen Arm. Gereizt versuchte ich, seine Hand abzustreifen. „Ich habe Sie nicht gerufen, weil Sie mir helfen sollen. Ich muss Ihnen etwas sagen."
Gekonnt steuerte er mich zu einem Stuhl im kleinen Konferenzzimmer und sah mich erwartungsvoll an.
„Ich sollte heute einen Vortrag über den Mordfall Wallace halten. William Herbert Wallace und seine Frau Julia, England, neunzehnhunderteinunddreißig. Haben Sie das im Kopf?"
Er nickte bedächtig mit dem gekräuselten, hellen Kopf, wobei ich allerdings sehen konnte, dass er mit den Gedanken meilenweit von mir entfernt war. Ich hatte große Lust, ihn zu ohrfeigen. Natürlich hörte ich mich an wie eine Idiotin, aber ich versuchte wirklich, so schnell wie möglich auf den Punkt zu kommen! „Ich weiß nicht, ob Sie die Grunddaten noch parat haben. Wenn Sie nichts über den Fall wissen, kann ich Ihnen später eine Aufstellung der Fakten geben." Ich winkte ab, ehe er mich unterbrechen konnte: Ja, ja, ich kam schon noch zum Kern der Sache! „Was ich Ihnen unbedingt jetzt sagen muss, weil es äußerst wichtig ist: Marnie Wright wurde genau so getötet wie Julia Wallace, und ihre Leiche wurde bewusst so hergerichtet und hingelegt. Sie wurde arrangiert."
Bingo! Der eben noch so stiere Polizistenblick wirkte mit einem Mal fast schon beunruhigend durchdringend. Prompt kam ich mir vor wie ein frisch aufgespießter Schmetterling. Der Mann war kein Leichtgewicht!
„Nennen Sie mir ein paar Übereinstimmungen, ehe die Spurensicherung kommt, dann lasse ich entsprechende Fotos machen."
Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. „Der Regenmantel, auf dem Marnie liegt. Es hat tagelang nicht mehr geregnet. Julia wurde auf einem Regenmantel liegend gefunden, und Marnie liegt neben dem kleinen Ofen. Mrs. Wallace fand man neben einem offenen Kamin mit Gasfeuerung. Julia Wallace hat man erschlagen, wenn ich mich recht erinnere auf die gleiche Weise wie Marnie. Mr. Wallace war Versicherungsagent, Gerald ist es ebenfalls. Ich wette, da gibt es noch mehr, das mir im Moment nur nicht einfällt. Marnie ist auch ungefähr so alt wir Julia Wallace ... das sind zu viele Parallelen, ich glaube nicht, dass ich mir das nur einbilde."
Arthur starrte mich ein paar Augenblicke lang nachdenklich an. „Gibt es im Fall Wallace Fotos vom Tatort?", wollte er wissen.
Jetzt wäre es schön
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