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Echte Morde

Echte Morde

Titel: Echte Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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rötlich-brauner Fleck gebildet.
    Ich hielt die Luft an; all meine aus so vielen so unterschiedlichen Quellen gespeisten Ängste verdichteten sich plötzlich zu einem einzigen, panischen Schrecken. Ganz langsam schob sich meine Hand zum Knauf der letzten Tür vor, drehte ... gab die Sicht auf die kleine Küche frei, die benutzt wurde, um Erfrischungen anzurichten ...
    ... und mein Blick fiel auf einen einzelnen, türkisfarbenen Schuh, der auf lächerlich hohem Absatz aufrecht im Türrahmen stand.
    Dann sah ich das Blut überall auf dem glänzenden Beige von Herd und Kühlschrank und den Regenmantel.
    Ganz zum Schluss erst zwang ich mich, Marnie anzusehen.
    Sie war tot, das erkannte ich sofort. Ihr Kopf hatte nicht mehr die Form, die ein Kopf haben sollte. Ihr dunkel gefärbtes Haar war verklebt - von ihrem eigenen Blut. „Aber es heißt doch, der menschliche Körper bestehe zu neunzig Prozent aus Wasser", dachte ich, „von neunzig Prozent Blut war nie die Rede." Dann rauschte es in meinen Ohren. Ich fühlte mich schwach und elend, und obwohl ich wusste, dass außer mir niemand im Flur war, spürte ich in der Küche die Anwesenheit von etwas Furchtbarem. Von etwas, wovor man Angst haben musste. Die arme Marnie war es gewiss nicht.
    Weiter unten im Flur fiel eine Tür zu. Ich hörte Arthur Smiths Stimme. „Miss Teagarden? Alles in Ordnung?"
    „Marnie!", wisperte ich, dabei hatte ich eigentlich vernünftig und deutlich sprechen wollen. „Es ist Mrs. Wright." Aber dann verwandelten sich meine Knie in rostige Scharniere, und all meine Förmlichkeit war für die Katz, als ich auf dem Boden zusammenklappte.
    Arthur Smith war umgehend bei mir, bückte sich, um mir aufzuhelfen, erstarrte aber auf halbem Weg, als sein Blick über meinen Kopf auf die Leiche fiel.
    „Marnie? Sind Sie sicher?", fragte er.
    Zumindest ein Teil meines Gehirns funktionierte noch und teilte mir mit, dass diese Frage berechtigt war. Ich hätte sie wohl selbst gestellt, hätte mich Marnies Anblick unvorbereitet getroffen. Ihr Auge - mein Gott, ihr Auge! „Marnie ist nicht bei den anderen im Saal, aber ihr Auto steht draußen, und das da ist ihr Schuh." Ich schaffte es, halbwegs zusammenhängend zu sprechen, obwohl ich mir die Hand auf den Mund gepresst hatte.
    Als ich Marnie zum ersten Mal in diesen Schuhen gesehen hatte, hatte ich gedacht: „Hat ein Mensch je eine so grauenhafte Fußbekleidung zu Gesicht bekommen?" Türkis war mir sowieso zuwider. Einen Moment dachte ich nur noch an meine Abneigung gegen alles Türkise, war das doch wesentlich angenehmer, als sich dem grausigen Bild vor meinen Augen zu stellen.
    Arthur, ganz Gesetzeshüter, trat behutsam über mich hinweg und hockte sich vielleicht noch vorsichtiger neben den Leichnam, um mit zwei Fingern an Marnies Hals nach dem Puls zu tasten. Mir stieg bittere Galle in die Kehle. Natürlich fand er keinen Puls, wie denn auch? Marnie war tot, schrecklich tot.
    „Können Sie aufstehen?" Arthur rieb die Finger aneinander, mit denen er Marnies Kehle abgetestet hatte, und stand auf.
    „Wenn Sie mir helfen?"
    Ein Griff, und Arthur zog mich auf die Beine und gleich aus der Tür. Er war sehr stark. Er legte den Arm um meine Schultern, stützte mich, während er die Tür schloss und lehnte mich dann dagegen, um mich aus grüblerischen dunkelblauen Augen zu mustern. „Sie wiegen kaum mehr als eine Feder", sagte er.
    „Ich kann Sie doch einen Augenblick allein lassen? Ich muss telefonieren. Ich nehme das Telefon gleich hier an der Wand."

    „Ja." Wie fremd meine Stimme klang, so dünn und blechern.
    Ich hatte mich oft gefragt, wie ich mich wohl verhalten würde, wenn ich eine Leiche fände, ob es mir gelingen würde, nicht völlig den Kopf zu verlieren, und nun stand ich hier wirklich, hatte eine Leiche entdeckt und verlor nicht den Kopf. Daran klammerte ich mich fest, während ich Arthur nachsah, der zielsicher das Münztelefon ansteuerte. Wie froh ich war, dass er in Sichtweite blieb. Gut möglich, dass ich das alles nicht so ruhig wegstecken würde, stünde ich allein auf weiter Flur, mit einer Leiche im Rücken.
    Während Arthur etwas ins Telefon murmelte, hielt ich meinen Blick unverwandt auf die Tür zum Saal gerichtet, hinter der John Queensland wahrscheinlich schon unruhig von einem Bein auf das andere trat, weil er gern die Sitzung eröffnen wollte. Ich dachte an das, was ich gerade gesehen hatte - nicht daran, dass Marnie tot war, nicht an die Wirklichkeit, die Endgültigkeit ihres

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