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Echte Morde

Echte Morde

Titel: Echte Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Schlüssel in mein Schloss stecken, mein Reich betreten konnte, war ich unendlich glücklich.
    Als nächstes stand ein Anruf bei meiner Mutter an, soweit funktionierte ich noch, allerdings wie in einer Art Nebel. Ich teilte Mutter mit, mir ginge es gut, ganz gleich, was andere Leute ihr möglicherweise erzählen mochten, und mir sei eigentlich nichts Schreckliches zugestoßen. Nachfragen ihrerseits würgte ich ab, beendete das Gespräch, legte den Hörer aber nicht wieder auf die Gabel. Ein Blick auf die Küchenuhr teilte mir mit, dass es gerade einmal halb zehn war. Seltsam — so früh noch.
    Mühsam schleppte ich mich die Treppe hoch, wobei ich mir schon im Gehen den Pullover und die Bluse auszog. Oben angekommen schaffte ich es gerade noch, mich auch der restlichen Kleidung zu entledigen, in mein Nachthemd zu schlüpfen und ins Bett zu kriechen, ehe mich der Schlaf übermannte.
    Um drei Uhr wachte ich in kalten Schweiß gebadet auf. Ich hatte von Marnies Kopf geträumt, riesengroß, in Nahaufnahme.
    Hier war jemand durchgedreht. Oder unfassbar bösartig.
    Oder beides.

KAPITEL VIER
    Ich drehte das Wasser auf, wartete, bis es ganz heiß war und stellte mich dann unter die Dusche. Es war sieben Uhr morgens an einem kühlen, klaren Frühlingsmorgen, und mein erster bewusster Gedanke war: „Ich muss heute nicht zur Arbeit." Der zweite war: „Mein Leben hat sich komplett verändert und wird nie wieder so sein, wie es mal war."
    Eigentlich hatte ich bisher noch nie etwas Richtiges erlebt, jedenfalls keine großen Sachen, weder schöne noch schreckliche. Natürlich war es schlimm gewesen, als meine Eltern sich hatten scheiden lassen, aber selbst ich hatte erkennen können, dass es so besser für sie war. Außerdem hatte ich damals schon einen Führerschein gehabt, sie hatten mich also nicht hin und her kutschieren müssen. Vielleicht hatte mich diese Scheidung ein bisschen zu vorsichtig werden lassen, aber Vorsicht war an und für sich ja nichts Schlechtes. Ich führte in unserer unordentlichen Welt ein ruhiges, ordentliches Leben, und wenn mich manchmal der Verdacht beschlich, zu sehr sämtlichen Klischeebildern von Kleinstadtbibliothekarinnen gerecht werden zu wollen - warum denn nicht? Schließlich konnte ich aus einer solchen Position heraus jederzeit in andere Rollen schlüpfen, wonach ich mich tatsächlich auch sehnte. Wie oft ließ in einem Film die trockene Bibliothekarin mit Brille und altmodischem Knoten plötzlich die Sau raus, warf die Brille weg, ließ das Haar fliegen und tanzte Tango?
    Möglicherweise würde ich das ja auch irgendwann mal tun. Aber bis dahin, fand ich, durfte ich auch so ein wenig stolz auf mich sein. Ich hatte mich am vergangenen Abend gut gehalten.

    Nicht umwerfend gut, aber doch gut. Ich hatte alles überstanden, ohne die Fassung zu verlieren.
    Inzwischen föhnte ich mein dichtes, langes Haar trocken - was immer einen ziemlichen Arbeitsaufwand erfordert - und zog eine alte Jeans und einen Pullover an. Dann tappte ich in Mokassins in die Küche hinunter, wo ich mir eine große Kanne Kaffee aufbrühte. Ich holte mir die Zeitungen, die auf der Schwelle meiner kaum benutzten Vordertür auf mich warteten und trug meine erste Tasse Kaffee hinaus auf die Terrasse, wo ich in der Woche zuvor die Gartenmöbel aufgebaut hatte, weil ich hoffte, der Frühling meine es ernst und würde bleiben. Man konnte sich dort draußen allein und unbeobachtet fühlen, auch wenn die Terrasse von beiden Nachbarhäusern aus einsehbar war: Sowohl die Crandalls auf der einen als auch Robin Crusoe auf der anderen Seite verfügten im ersten Stock nach hinten über ein zweites Schlafzimmer, von dem aus man einen Blick auf meinen Hintergarten hatte. Aber diese Schlafzimmer waren ziemlich klein, und ich wusste, dass sie in den meisten Häusern als Gästezimmer dienten.
    Sally hatte es nicht mehr geschafft, die Geschichte in unserer Lokalzeitung unterzubringen, die wahrscheinlich schon in Druck gegangen war, bevor unsere Clubsitzung anfing. Aber dem Reporter, den die große Zeitung in der Stadt hier vor Ort beschäftigte, war mehr Glück beschieden gewesen: „Frau aus Lawrenceton ermordet" lautete die einfallslose Schlagzeile in der Rubrik „Aus der Region". Rasch überflog ich die Geschichte und war beeindruckt vom Fleiß des Verfassers, der es sogar geschafft hatte, ein Foto Marnies aufzutreiben. Der Bericht war kurz und enthielt bis auf die Tatsache, dass die Polizei Marnies Handtasche nicht hatte finden

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