Echte Vampire beißen sanft
fragte Flo neugierig. »Ist er attraktiv?«
»Sehr. Und arrogant auch. Stell dir einfach Mara als Mann vor,und zwar als einen richtigen Macho.« Ich erhob mich und blieb neben Flo stehen, um ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. »Es tut mir leid, dass ich dich angefahren habe, aber bestell deinem Freund, dass ich auf seine großzügigen Gesten verzichten kann.«
»Genau das war es, eine großzügige Geste.Vampir-Viagra ist unheimlich kostspielig.« Flo griff nach dem Fusselroller, der auf der Kommode neben dem Fernseher lag, und begann damit ihren Rock zu bearbeiten. »Ich sollte Will befehlen, sich in einen Menschen zu verwandeln und das an meiner Stelle zu erledigen.«
Ich schwieg wohlweislich, denn schon bei der Vorstellung, dass in meinem Wohnzimmer ein durchtrainierter Schotte einen Fusselroller schwang, wurde mir ganz schwummrig. Ich hatte wohl noch immer einen letzten Rest Vampir-Viagra im Körper. Ich wollte mich auf gar keinen Fall zu Will Kilpatrick hingezogen fühlen, ob er nun als Mensch oder als Hund vor mir stand.
»Schön langsam muss ich mich anziehen, sonst kommen wir zu spät in die Kirche.« Ich ging in mein Zimmer. »Hast du Simon gefragt, ob er mitkommt?«
»Ja, aber er wollte nicht.«
»Schade. Ein Gottesdienst wäre gut für seine Seele.« Unentschlossen blieb ich vor meinem Schrank stehen, betrachtete das Samtkleid, das ich gestern getragen hatte. Ich rieb den anschmiegsamen Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger, hob
den weiten Rock ein wenig an. Der hätte sich auf der Tanzfläche bestimmt toll gemacht.
Wenn mir dieser verdammte Simon mit seiner Droge nicht die Tour vermasselt hätte, wäre ich dann am Ende der Nacht mit Richard im Bett gelandet? Ich wusste, dass es zwischen uns knisterte, auch ohne Viagra. Aber ich bin keine Sklavin meiner Hormone. Ich muss mich zu einem Mann hingezogen fühlen, um mein Bett mit ihm zu teilen. Und Flo hatte Recht, wenn sie sagte, dass für Richard seine »Mission« oberste Priorität hatte. Das ist ungewöhnlich für einen Vampir. Den meisten von uns geht nichts über die Befriedigung unserer Bedürfnisse. Ja, das trifft auch auf mich zu. Okay okay es trifft insbesondere auf mich zu.
»Hübsches Kleid.« Flo sah mir über die Schulter. »Was soll das heißen, ein Gottesdienst wäre gut für Simons Seele? Ich sage dir doch, Richard hat eine völlig falsche Meinung von ihm. Simon würde niemals einen Vampir schutzlos der Sonne aussetzen, und sein Mittel ist doch eine tolle Sache. Weißt du etwas, das ich nicht weiß?«
»Keine Ahnung, was du alles weißt, Flo. Hast du zum Beispiel gewusst, dass Simon Freddys Vater ist?« Ich zog ein Blusenkleid aus rotem Cordsamt aus dem Schrank und legte es auf das Bett.
»Freddy? Frederick von Repsdorf?« Flo sank auf mein Bett, wobei sie darauf achtete, sich nicht auf mein Kleid zu setzen.
»Genau der.«
»Also haben Simon und CiCi...« Flo und CiCi haben einen kleinen Konkurrenzkampf laufen, wenn es um Männer geht.
»Es ist schon Jahrhunderte her. Sie wusste, dass er ein Vampir ist, aber dass sie mit ihm einen Baby-Vampir in die Welt setzen würde, hat er ihr erst gesagt, als es schon zu spät war. Nicht gerade die feine englische Art, oder?« Ich kramte meine
Peeptoe-Pumps aus schwarzem Lackleder und den dazu passenden Gürtel hervor und legte beides zu dem Kleid auf das Bett.
»Ich bin sicher, Simon wollte sie nicht...« Flo nahm den Gürtel zur Hand und ließ ihn wie eine Peitsche auf ihren Oberschenkel niedergehen. »Ich habe gehört, wer als Vampir geboren ist, kann sich nur ungefähr alle hundert Jahre einmal fortpflanzen.Vielleicht wusste er gar nicht...«
»Doch, er wusste es. CiCi war für ihn bloß eine – ich zitiere den King der EVs – ›würdige Partnerin‹.«
»Nun, CiCi ist schließlich eine Gräfin.« Flo ließ den Gürtel auf das Bett knallen. »Freddy ist also nicht nur ein geborener Vampir, er ist Simons Sohn. Und vom anderen Ufer obendrein.« Sie grinste. »Ich frage mich, was Simon davon hält. Mit Frederick könnte die Familie aussterben.«
»Wer weiß? Wenn sich Simon mit CiCi fortpflanzen konnte, dann hat er es vielleicht noch öfter getan. Es sei denn, seine Zeugungsfähigkeit war bloß eine einmalige Sache. Du solltest dich mal danach erkundigen.« Ich konzentrierte mich auf die Auswahl meiner Accessoires, denn die Vorstellung, Simon könnte noch mit weiteren »würdigen Partnerinnen« Nachkommen gezeugt haben, fand ich zu gruselig. Ob einige von ihnen wohl eine
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