Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
zusammengezählt und war auf dreihundertvierundsechzig gekommen?
War es Jake gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass Alison King in ihrem Leben so allgegenwärtig war, oder war sie selbst, Alex, dafür verantwortlich, wie Serena es in ihrer SMS so klar und deutlich festgestellt hatte?
Alex schüttelte den Kopf, als wollte sie sich von den Dämonen befreien, die mit ihren Fingern an ihr zerrten.
Sie hatte sich ihr Gespräch immer wieder vergegenwärtigt und es nach allen Seiten gedreht und gewendet und daraufhin analysiert, ob irgendwelche Lügen zum Vorschein kamen, doch unterm Strich war lediglich eine klar ersichtliche, für jeden offenkundige Wahrheit geblieben, die Jake ausgesprochen hatte.
Ihre Beziehung beruhte zum großen Teil auf Vertrauen.
Er hatte sie gebeten, ihm zu vertrauen.
Das konnte sie doch wohl tun, oder?
Sie ging seufzend in ihr Zimmer zurück, zog die Balkontür zu und fasste den etwas perversen Beschluss, dass sie, nachdem sie während des Großteils des Abends auf Alkohol verzichtet hatte, jetzt einen Drink brauchte. Und weil sie nie der Typ gewesen war, der allein trank, zog sie sich an, vergewisserte sich, dass ihre Haare nicht so aussahen, als käme sie gerade aus dem Bett, ging hinunter und steuerte die Hotelbar an.
Der große, längliche Raum war nahezu leer; nur ein paar Nachtschwärmer, vor allem Journalisten, hockten noch zusammengesackt an einem Tisch in der Ecke, abgefüllt von dem gratis geflossenen Alkohol und kaum noch ansprechbar. Alex kannte das Trüppchen und wollte ihm am liebsten aus dem Weg gehen; mit diesen Typen hatte sie schon mal zusammengesessen, als sie volltrunken gewesen waren, und es war keine Freude gewesen. Deshalb steuerte sie den hinteren Bereich der Bar an, der in eine abgedunkelte Ecke mündete.
Ein Wodka-Tonic als Schlummertrunk, dann würde sie wieder nach oben gehen. In ihrer Nähe, ebenfalls in der abgedunkelten Ecke, saß ein einzelner Mann an der Theke und unterhielt sich lachend mit dem Kellner; es war ein leises, kehliges Lachen, das sie aufhorchen und in seine Richtung schauen ließ.
Er blickte auf, als sie sich auf einen Barhocker in seiner Nähe setzte. Sein Gesicht und sein Gebaren wirkten aus irgendeinem Grund zunächst ein wenig nervös, doch als er sie sah, lächelte er ein Lächeln des Wiedererkennens und wirkte sichtlich entspannter.
Bei Alex hingegen war es genau andersherum, als sie sein Gesicht sah; jeder Muskel in ihrem Körper zog sich zusammen, und ihr entfuhr ein ziemlich teeniemäßiger, zum Glück jedoch leiser Überraschungsschrei. Es war ein bisschen so, als wäre sie Fan einer Boyband und hätte ihren Lieblingssänger in der
Kundenschlange neben sich bei Tesco entdeckt, wo seine Tarnkleidung mit Baseballkappe und Sonnenbrille jeden ausgetrickst hatte, nur eben sie nicht.
»Das ist er!«, quiekte die Teeniestimme.
Aber was hatte er hier zu suchen?
Sie hatte gedacht, sie wären alle in irgendeinem Mauerturm weggesperrt worden, wo es nichts anderes gab als Fitnessgeräte, Proteindrinks und inspirierende Musik.
Noch überraschter war sie, als er sich zu ihr herüberbeugte und sie ansprach.
»Hi … Habe ich Sie nicht auf der ProTrain-Eröffnungsparty gesehen?«
Sie war ihm aufgefallen? Trotz all der Darbietungen, der Lichteffekte, der dröhnenden Musik, der strengen Sicherheitsvorkehrungen und dem zum Bersten mit Menschen vollgestopften Saal …
Alex war baff und nickte steif.
»Ich bin Björn … Björn Sieger.«
Natürlich war er Björn Sieger.
Sie hatte ihn sofort wiedererkannt, auch ohne den hautengen Lycraanzug, der sich über jede Unebenheit seines Körpers gezogen hatte wie frisch auf seine nackte Haut aufgetragene Sahne… Alex schüttelte den Kopf wie ein Hund, der sich das Wasser aus dem Fell schüttelt, und schaffte es zum Glück, sich zurück in die Gegenwart zu katapultieren und sich wenigstens dem Anschein nach wie ein normaler Mensch zu verhalten. Um Himmels willen, sie hatte diesen Mann ein einziges Mal gesehen, was war denn bloß los mit ihr? Hatte Jecca nicht nur Stroboskoplichter aufblitzen lassen, sondern auch unterschwellige Bilder? Hatte sie sie alle einer Gehirnwäsche unterzogen und sie dazu gebracht zu glauben, dass jeder Wettkampfteilnehmer das beste Wesen seit Bono war und sich zudem auch noch auf einer Art Kreuzzug befand.
Alex schluckte und versuchte, ihr Gesicht wieder aussehen zu lassen wie das von Alex Gray, der Journalistin, anstatt wie das von Alex Gray, die beim Anblick eines
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