Echtzeit
Anekdoten über sein dümmliches Verhalten von damals zu erzählen.
Nina schien das Ganze sichtlich unangenehm. Sie vermied konsequent den Blickkontakt zu Tom.
Herrschaftlich hob Ansgar den Arm, schwenkte seine Bierflasche und gebot den Anderen, für einen Moment leise zu sein.
»Bevor die liebe Nina unserem Tom noch einmal das Herz brechen kann«, er zwinkerte ihm zu, doch dieser bedachte seinen Freund nur mit einem bösen Blick, »werden wir sie jetzt dazu nötigen, ihre Telefonnummer aufzuschreiben.« Er schüttelte Nina fest in seinem Arm. »Netti, gib mir bitte mal was zu schreiben.«
Besitzergreifend legte sich Katrins Hand auf Toms, doch er ignorierte es. Er war viel zu sehr auf Nina fixiert, die versuchte, sich möglichst höflich, aus dem Arm ihres Geiselnehmers zu winden. Es gelang ihr fast, aber mit Hilfe eines weiteren Freundes schaffte es Ansgar, sie an ihrer Flucht zu hindern. Schließlich giftete sie ihn an, doch er lachte nur und sah spöttisch zu ihr herunter.
»Es reicht, Ansgar!« Tom sprang wütend auf und schob sich schnell an dem Tisch vorbei. Sehr unsanft schubste er seine Kumpel zur Seite, fasste Nina an der Taille und schob sie zügig auf sichere Entfernung.
»Und dass du sie ja nicht wieder verlierst, hörst du?«, lachte Ansgar lautstark hinterher. Tom bugsierte Nina immer noch vor sich her, bis sie sich schließlich umdrehte und ihn mitten im Gedränge stoppte.
»Entschuldige«, begann er, »wenn Ansgar getrunken hat, dann neigt er zu Übertreibungen.«
Sie winkte ab. »Schon okay. Ich hätte mich nicht von ihm einlullen lassen sollen.«
Lachend schüttelte er den Kopf. Ansgars Hundeblick hatte also auch bei ihr seine Wirkung nicht verfehlt.
»Was ist so komisch?«
»Nichts, ist schon okay. Ich werd dann mal wieder.« Er wollte sich wieder auf den Weg zurück zu den Anderen machen. Seinen Freunden würde er noch einmal deutlich die Meinung sagen.
Sanft fasste sie seinen Oberarm und für eine Sekunde erschrak er unter ihrer Berührung. Sofort ließ sie ihn wieder los.
»Magst du was trinken? Ich wollte mich für vorhin entschuldigen. Das war dumm.« Ihr Gesicht lief knallrot an und sie rieb sich nervös über die Oberschenkel. »Deshalb habe ich mich eigentlich erst von deinem Freund überreden lassen mitzukommen. Ich mein, weil ich mich vorhin so saudämlich verhalten habe.«
Tom war plötzlich total überfordert. Noch vor wenigen Minuten hatte er versucht, dieses Mädchen, nein, vielmehr diese Wahnsinnsfrau, endgültig aus seinem Leben zu streichen. Jetzt war sie es höchstpersönlich, die ihm die Entscheidung schwer machte.
»Ich lad dich auch ein«, fügte sie hinzu und sah ihn reumütig an.
Noch bevor Nina dem Barkeeper ihre Verzehrkarte reichen konnte, machte Tom ihm mit wenigen Worten unmissverständlich klar, dass die zwei Bier auf Ansgars Rechnung gingen, der selbstgefällig grinsend am anderen Ende der Theke stand. Das sollte Rache genug sein.
Stumm beschlossen sie, sich mit ihren Getränken an einen freien Tisch in der hintersten Ecke zurückzuziehen. Während sie geschickt auf den Barhocker kletterte, zog sie ihr plattgedrücktes Tabakpäckchen hervor. Er lächelte. Javaanse Jongens, der Weiße – noch immer. Geschäftig zog sie das Haargummi von dem Päckchen. Das hatte sie schon damals darum gewickelt, weil sie sich nie auf die Klebelasche verließ. Sie zog ein Blättchen heraus und pulte einen Filter zwischen dem Tabak hervor. Vielleicht hatte sie sich doch nicht allzu sehr verändert.
»Also«, begann sie schließlich, während sie sich mehr als nötig darauf konzentrierte, eine angemessene Menge Tabak auf das Blättchen zu geben. »Wie geht's dir? Was machst du so?«
»Eigentlich ganz gut.« Er zog nun auch seinen Tabak hervor, den Schwarzen. »Wir wurden mit der Band für eine komplette Tour gebucht.«
»Wirklich? Tom, das ist ja der Hammer!« Ihre Freude war echt und er konnte nicht anders, als ein Grinsen zu zulassen. Sie zündete schnell ihre Zigarette an. »Ehrlich, ich freu mich für dich und ich bin sogar ziemlich neidisch. Eine eigene Tournee ist für mich noch ziemlich weit weg.«
»Studierst du jetzt?«
Stolz straffte sie ihre Schultern. »Seit ein paar Monaten bin ich fertig. Ich habe jetzt ein Diplom in Populärmusik.«
»Glückwunsch. Das hört sich ziemlich professionell an.« Er war tatsächlich schwer beeindruckt, doch sie sackte gleich darauf wieder in sich zusammen.
»Naja, wirklich was kaufen kann ich mir davon jetzt nicht. Die
Weitere Kostenlose Bücher