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Echtzeit

Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Reitz
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Hände über seine Brust und dann schlang sie ihr Arme um seinen Hals, brachte sich direkt vor sein Gesicht. »Küss mich«, säuselte sie kaum verständlich und schon presste sie ihre durch den Pernod bläulich verfärbten Lippen auf seine.
    Und er ließ es zu, stand einfach nur still da und erwiderte unsicher ihren Kuss. Ihre Zungenspitze stieß gierig und glitschig gegen seine Unterlippe, verlangte mehr Einsatz von ihm. Er erwartete ein kleines Feuerwerk in seiner Magengrube, aber nichts, absolut gar nichts, regte sich in ihm. Erschrocken öffnete er die Augen und sah in ihr aufgedunsenes Gesicht. Nein! Das hier war nicht richtig. Ganz und gar nicht richtig.
    »Es tut mir leid.« Er schob Katrin derb von sich. Bevor sie auch nur die Gelegenheit hatte, sich zu sammeln, drehte Tom sich um und ließ sie einfach stehen. Kraftvoll drückte er sich durch die Menge, quetschte sich an unzähligen Feiernden vorbei, die lautstark das neue Jahr begrüßten. Irgendwo hier musste sie sein, irgendwo zwischen all den Angetrunkenen und Feierwütigen. Es war gar nicht so einfach, in dem überfüllten Club eine Person zu finden, die ihm gerade mal bis zur Brust reichte. Er wusste noch nicht mal, mit wem sie hier war, sodass es auch keinen Sinn machte, nach einem bekannten Gesicht Ausschau zu halten. Lolli würde er hier in jedem Fall nicht finden. Ein Betrunkener fiel ihm torkelnd in die Arme und er schubste ihn nur genervt zurück zu seinen Freunden. Schließlich blieb Tom hilflos in der Menge stehen. Der ABBA Song war bereits verklungen und die Leute stürmten wieder auf die Tanzfläche oder überrannten die Bar, um ihren Alkoholpegel noch eine Weile zu halten. Der Gedanke aufzugeben, einfach nach Hause zu gehen, brüllte voller Selbstmitleid in seinem Kopf. Er hatte seine Chance vertan.
    Doch dann entdeckte er sie. Er beobachtete, wie sie sich an einer Gruppe angesäuselter Mädels vorbei schob und dabei unsanft durchgeschüttelt wurde. Suchend sah sie sich um, ihre Miene drückte Verzweiflung aus. Er rief nach ihr, doch seine Stimme wurde von der lauten Geräuschkulisse geschluckt und er fuhr die Ellenbogen aus, um sich weiter zu ihr durchzukämpfen. Immer näher kam er ihr und dann richtete sie ihren Blick endlich in seine Richtung. Ihr Gesicht erhellte sich und sie legte an Tempo zu, schob sich rücksichtsloser an den Hindernissen vorbei. Schließlich stand sie nur noch eine Armlänge von ihm entfernt.
    »Hi«, sagte sie schlicht.
    »Hi!« Er lächelte und lächelte, seine Mundwinkel schienen auf einem Höhenflug zu sein. »Frohes neues Jahr.«
    »Dir auch.«
    Die zarte Röte legte sich wieder auf ihre Wangen und sie begann, verlegen mit ihren Fingern zu spielen. Endlich spürte er das Kribbeln in der Magengrube und sein Herz raste unaufhörlich. Er griff nach ihrer Hand. Sie sollte es spüren, sollte endlich wissen, wie es um ihn stand. Ihre Finger zitterten, als er sie zu seinem Oberkörper führte. Fest presste er ihre Hand gegen seinen Brustkorb, bis sein Herzmuskel den Widerstand ihrer Handfläche spürte, und zog sie näher zu sich.
    »Wie damals.«
    »Ja«, war die Antwort. Kaum zu hören, aber an den Bewegungen ihrer Lippen deutlich zu erkennen. Sie drückte sich an ihn und entzog ihm ganz langsam ihre Hand. Stattdessen legte sie ihren Kopf auf seine Brust, so dass sie das schnelle, rhythmische Pumpen seines Herzens hören konnte. Er legte seinen Arm um sie, presste sie an sich. Mit der anderen Hand streichelte er vorsichtig über ihr Gesicht und drückte seine Lippen fest in ihr Haar. Es war tatsächlich wie damals.

    Tom hatte sich für diese Nacht so ziemlich alles ausgemalt, aber das hier übertraf seine Vorstellungskraft und fiel eher in die Kategorie unerfüllbarer Träume, die man schnellstmöglich vergessen sollte. Zumindest hatte er das noch vor ein paar Stunden gedacht. Ein wenig unsicher, aber dennoch neugierig bewegte Nina sich durch seine kleine Wohnung. Sie schmunzelte über das Chaos auf dem Wohnzimmertisch und er kickte schnell das Handtuch vom Nachmittag unter sein Bett. Vielleicht hätte er doch aufräumen sollen, aber er hatte nicht damit gerechnet mit einer Frau hier aufzuschlagen, die wie er noch halbwegs nüchtern war. Und schon gar nicht mit ihr. Sie war tatsächlich hier. Hier in seiner kleinen, unaufgeräumten Junggesellenbude. Vorsichtig strich sie über die Saiten seiner Gitarre, die neben dem Sofa stand.
    »Müsste mal gestimmt werden«, bemängelte sie leise. Er lächelte nur. Es wäre

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