Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Echtzeit

Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Reitz
Vom Netzwerk:
wilde, hemmungslose Getanze wieder. Was gab es Geileres?!
    Aus den Augenwinkeln sah er die kleine Blonde, die er früher am Abend an der Garderobe entdeckt hatte. Zu seinem Erstaunen pogte sie zwischen den ganzen breiten Kerlen heftig mit. Während der nächsten Strophe beäugte er sie genauer. Unfassbar, sie hatte sich mitten ins Getümmel gestürzt, dabei war sie so klein und schmächtig und ihre Absätze waren auch nicht gerade ungefährlich. Jetzt gerade fielen ihr die langen, gewellten Haare ins Gesicht und sie wiegte sich fast wie zu einem Mantra, so als würde sie ihre Kräfte für die nächsten harten Gitarrenriffe sammeln. Er würde ein bisschen Obacht auf sie geben. Vielleicht sollte er auch dafür sorgen, dass keiner der bulligeren und schon ziemlich betrunkenen Typen sie umstoßen konnte.
    »Hello … Hello … Hello … Hello …« Und dann schmetterte Kurt Cobain auch schon wieder los. Tom hatte gar keine Chance, ein sorgsames Auge auf die Kleine zu werfen. Das Einzige, was er sah, war, wie hin und wieder ihre fliegenden Haare zwischen den breiten Schultern der anderen auftauchten. Er begann sich zu sorgen und hoffte inständig, dass sie sich nicht ernsthaft verletzte. Sicherlich war sie sturzbetrunken.
    Hart bekam er einen Ellenbogen in den Rücken und gleich darauf knallte etwas Stumpfes gegen seine Brust. Reflexartig schloss er seine Arme um den zierlichen Körper: Er war mit der kleinen Blonden zusammengestoßen. Er packte sie fest unter den Armen, damit sie nicht wegsackte, doch schneller als er ahnte, berappelte sie sich wieder und schob sich, an ihn gedrückt, wieder hoch. Um sie zu stützen, fasste seine Hand ihren Unterarm. Ihr Tattoo … seine Erinnerungen.
    »Nina!«, stieß er hervor.

 
    Kapitel 5
     
    Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn ungläubig an. Inzwischen wurden Cobains letzte Töne durch den eingängigen Beat von Song 2 abgelöst. Die Leute tobten und bevor das erste Wo-hooo! erklingen konnte, machte Tom kurzen Prozess und zog Nina bestimmend von der Tanzfläche. Erst an einer Säule in sicherer Entfernung zum pogenden Pulk kam er zum Stehen. Sie lehnte sich haltsuchend dagegen, anscheinend hatte sie doch etwas abbekommen.
    »Alles ok?« Er suchte ihren Blick.
    »Ja, ich …« Sie zog ihre Hand aus seiner und nur widerwillig entließ er sie aus seinem Griff. Zügig strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und drapierte sie über eine Schulter, dann sah sie ihn endlich an. Ihre blauen Augen wirkten im schummerigen Licht des Clubs dunkel und undurchdringlich. »Tom. Hi.« Unsicher hob sie ihre Hand zum Gruß.
    »Hi«, erwiderte er fast tonlos. Da stand sie plötzlich vor ihm, so unerwartet und dennoch heißersehnt. Er hatte absolut keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Sie sah so verändert aus. Viel älter, reifer und hübscher. Viel hübscher. Ihr Haar war länger und hellblond statt schwarz. Es lag in einer sanften Welle über ihrer Schulter und verdeckte zum Teil die Narbe unter ihrem Auge. Vermutlich war das so gewollt.
    »Wie geht's dir?«, brüllte sie ihm schließlich über die laute Musik hinweg zu.
    Er nickte. »Gut. Und dir?«
    Ein verlegenes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und im wilden Flashlight glaubte er, eine leichte Röte auf ihren Wangen zu erkennen. Sie kam ihm vor wie eine Elfe aus einer märchenhaften Geschichte.
    »Und sonst?« Sie schob die Hände in ihre Rocktaschen. »Warst du noch mal am Ring?« Ihr Blick schweifte unsicher durch den überfüllten Raum.
    Während er ihre Frage bejahte, winkte sie einer weiter entfernten Person zu. Er konnte nicht wirklich ausmachen, wen sie entdeckt hatte.
    »Ich muss jetzt wieder«, erklärte sie und schob sich an ihm vorbei. »Wir sehen uns, Tom.« Schnellen Schrittes lief sie an der Tanzfläche entlang und verschwand wieder aus seinem Blickfeld. So unerwartet, wie sie aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden.
    »Na, Alter?« Ansgars Oberkörper zuckte noch immer im Rhythmus der Musik, während er sich die schweißnassen Haare aus dem Gesicht strich. »Lässt wohl heute nichts anbrennen, was?«
    Tom antwortete nicht und starrte weiter in die Richtung, in die Nina verschwunden war.
    »Das war doch die Kleine, die du an der Garderobe entdeckt hast, oder?«
    Stumm nickte Tom seinem Freund zu.
    »Mensch, Tom, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Hast du sie angegraben?« Ansgars Blick funkelte neugierig, doch Tom sprach noch immer nicht, sondern zog seinen Tabak hervor und begann, sich

Weitere Kostenlose Bücher