Ed King
nächtlichen Verkehr entfernt, und schwelgten in Erinnerungen. Da war doch dieser zwielichtige Dealer mit dem angeketteten, lahmen Hund gleich hinter Park Crescent, bei dem sie Shit gekauft hatten. Oder das Fußballspiel mit den verlotterten, unflätigen Carrick-Jungen auf dem Rugbyfeld, das im Winter eigentlich gesperrt war. Und der blinde Junge von der Trelawney Road, dessen Augen tief in den Höhlen steckten und einen zu Tode erschreckten, und die gebackenen Kartoffeln in der Bonfire Night im November. Je länger sie redeten, desto rührseliger wurden sie. Club steckte den Alkohol gut weg, was sieselbst in ihrem betrunkenen Zustand noch bemerkte. Als sie sich später im Bett wälzte, bereute sie es, Jim Long vor Club so runtergemacht zu haben, und auch, dass sie damit geprahlt hatte, nach ihrer Scheidung fein raus zu sein und ein Leben in Saus und Braus zu führen.
Auf dem Rückflug nach Kirkland kam Diane sich geschröpft und gemaßregelt vor. Der Polizist hatte ihr mindestens ein Dutzend Mal mit gesenktem Kopf erklärt: »Oh, wie froh wäre sie gewesen, wenn sie dich zum Schluss noch einmal hätte sehen können«, und: »Sie hat immer wieder nach dir gefragt. Sie hat vieles bedauert, weißt du, und ich glaube, sie wollte sich mit dir aussöhnen, aber sie wusste, wie weit der Weg von Amerika ist. Wirklich traurig, wenn man weiß, dass man es nicht mehr lange macht, nicht wahr?« Jetzt saß sie schwelend vor Zorn auf ihrem Sitz in der Economyclass und kaute an ihren Fingernägeln. Das Wichtigste war, das alles hinter sich zu lassen. Ihre Mutter war tot, und das hochtrabende Gerede des Polizisten war Schall und Rauch, der über dem Golfstrom verwehte. Wer war er überhaupt, ihr irgendwelche Vorhaltungen zu machen? Ein behäbiger, schnaufender Streifenpolizist. Ein Schwachkopf mit einem grauenhaften Schnurrbart, den er zu oft im Bierschaum versenkt hatte.
Zurück in The Palms, setzte sich Diane in dem knappen Bikini, den Jim ihr in Puerto Vallarta gekauft hatte, an den Pool. Es war Samstag und die Terrasse um den Pool war gut besucht. An verschiedenen Stellen war gedämpfte Radiomusik zu hören, und einige Mieter hatten trotz Verbots Gläser und Flaschen mitgebracht und waren schon leicht beschwipst, wie Diane bemerkte. Die Szene war auf amerikanische Weise sexy, die meisten jungen Frauen strotzten vor Gesundheit, und die Mehrzahl der Männer war muskulös und durchtrainiert. Diane sah, dass viele ruhelos waren, als hätten sie das Gefühl, irgendwo anders etwas zu verpassen. Sie waren wie wohlerzogene Studenten in den Semesterferien, nur ein bisschen älter. Diane fühlte sich in ihrer Gegenwart so befangen, dass sie noch am selben Abend weniger europäisch wirkende Bademode kaufte, mit der sie, ohne Aufsehen zu erregen, am Pool sitzen konnte. Sie entdeckte einen roten Zweiteiler, den Lynn Long, Jims mit einem Golfprofi verheiratete Schwester, in ihrer Zeit als steiler Zahn an der University of Oregon getragen habenkönnte, eine Art Miss-Teen-USA-Look. Dann ging sie in einen Club namens The Pelican, weil ihr danach war und weil sie nichts aufhielt, nicht einmal der Türsteher, der ihr nicht ins Gesicht, sondern bloß auf die Titten schaute.
Auf der Bühne stand jemand, der sich Sir Charles nannte. Seine feingliedrigen Hände, der mächtige Afro, seine übertriebene Schlaghose und das halb aufgeknöpfte Hemd erinnerten an Sly Stone. Diane setzte sich ans Ende der langen Bar, wo die Kellnerinnen in schwarzen Tank-Tops, schwarzen Schlaghosen, schwarzen Schürzen und bequemen Schuhen den Barkeepern die Bestellungen zuriefen, Getränke entgegennahmen und die Kasse bedienten. Unter ihrer Kleidung sahen die Kellnerinnen sicher wie die Püppchen am Pool aus, mit ihren gestylten Frisuren und ihrer Sonnenbräune. Die drei Männer hinter der Bar wirkten wie Junggesellen aus einer Seifenoper, zwei davon wie Heiratskandidaten, der dritte mit etwas mehr sinnlicher Ausstrahlung, als arbeitete er nebenher noch als Gigolo. Bei ihm bestellte sie einen Mai Tai.
Der Platz war gut, weil sie mitten im Geschehen war und ganz unbefangen das aufdringliche Verhalten der Gäste beobachten konnte, das offenbar für den Pelican ganz normal war, und außerdem die Tänzer im Blick hatte, von denen die meisten eine so miserable Figur abgaben, dass Diane überlegte, ein Tanzstudio zu eröffnen, Diane’s, wo Paare Salsa und Tango lernten und Singles sich nach einem Partner umsahen. Tagsüber könnte sie die Räumlichkeiten vielleicht für
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